Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
energielos Informationen zwischen Hund und Herrchen transportieren. Würde das stimmen, hätte Sheldrake als erster Mensch die Existenz von Telepathie nachgewiesen, wenn auch nur im Tierversuch, und im selben Aufwasch auch gleich doggy-style ein paar Naturgesetze außer Kraft gesetzt, denn er hätte damit unter anderem das Perpetuum mobile erfunden, mit dem man alle Energieprobleme der Menschheit lösen könnte. Für derartige Bravourstücke gibt es in der westlichen Wertegemeinschaft als Belohnung einen prestigeträchtigen Hundekuchen: Er dürfte sich dafür auf einen bezahlten Ausflug nach Stockholm freuen, Dresscode Frack. Wahrscheinlich würde er nicht nur einen Nobelpreis bekommen, sondern gleich alle. Den für Physik sowieso, aber auch den für Chemie und Medizin, Literatur für die fantastische Erzählung, und wenn man vier Nobelpreise auf einmal nimmt, bekommt man den für Frieden kostenlos dazu, und ein Gratismesserset oben drauf.
Sie ahnen es, die Raunacht 2.0 von Rupert Sheldrake wird ihn nicht in eine Reihe mit Nils Bohr, Albert Einstein, Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger oder Paul Dirac stellen. Das liegt aber nicht daran, dass seine Ideen auf den ersten Blick absurd und unglaublich klingen. Als Paul Dirac 1928 die Existenz von Antimaterie postulierte, schlug ihm auch keine Welle der ungebrochenen Herzlichkeit aus der Welt der Physik entgegen. Im Gegenteil. Aber er hatte recht und bekam dafür 1933 den Nobelpreis für Physik. Das wird Rupert Sheldrake und seinem vierbeinigen Studienkollegen Jaytee erspart bleiben. Aber warum bekommt so jemand dann trotzdem so viel Aufmerksamkeit? Das Besondere an Sheldrake ist sein Werdegang. Er ist nicht irgendein dahergelaufener Esoteriker, der zu faul ist für einen 40-Stunden-Job und sich deshalb mit fantasierten Energieströmen seinen Lebensunterhalt zu verdienen versucht. Bevor er Popstar in Esoterik für Abiturienten wurde, war er nämlich ein erstklassiger Wissenschaftler. Die Meldungen im Einzelnen:
Wir schreiben das Jahr 1981. Sheldrake stellt seine Theorie der morphogenetischen Felder auf, auch morphische Felder genannt. Er wird dadurch überregional bekannt. Unter morphogenetischen Feldern verstand und versteht Sheldrake hypothetische Felder, die für die „Formbildung“ verantwortlich sein sollen. Was bedeutet das? Die morphogenetischen Felder sollen Informationen darüber vermitteln, wie sich geordnete Strukturen in Atomen, Molekülen, Kristallen, Zellen, Gewebe, Organen, Organismen, sozialen Gemeinschaften, Ökosystemen, Planetensystemen und Galaxien entwickeln. Nicht physikalische, chemische oder biologische Prozesse steuern die Strukturbildung, bestimmen also, wie Sie zu Hause die Klopapierrolle in die Halterung hängen oder warum Sie bei der Polonaise Blankenese immer wissen, wie schnell Sie laufen müssen, um dem Vordermann nicht auf die Fersen zu steigen. Nein, das erledigen geheimnisvolle, unsichtbare, energielose Felder in der Natur. Laut Sheldrake sind die Felder zudem kein Konzept, keine mathematische Konstruktion, sondern physikalisch real.
Wie kann man sich das vorstellen? Wie man möchte. Denn es gibt leider einen kleinen Schönheitsfehler: Da die Felder energielos sind, kann man ihre Wirkungen physikalisch weder beobachten noch nachweisen oder messen. Es handelt sich bei ihnen ergo um reine Behauptungen, für deren Richtigkeit es nicht den geringsten Beleg gibt. Wenn Sie sich also einbilden möchten, dass kommende Generationen das Schuhezubinden leichter lernen werden, weil Sie das mittlerweile wirklich schon sehr gut können und dadurch das Know-how über Felder weitergegeben wird, dann können Sie das natürlich machen, solange Sie niemandem wehtun dabei. Aber spätestens wenn Sie Ihren Kindern zuschauen, während sie sich plagen, es zu erlernen, sollten erste Zweifel an der These aufkommen.
FACT BOX | Sheldrakes Belegexemplare
Beispiel 1:
Das Aussehen von Lebewesen
Man weiß, dass die Erbsubstanz aka DNA in nahezu allen Zellen eines Organismus identisch ist. Wie kann aber dann ein Organismus entstehen, dessen Zellen verschiedenste Aufgaben haben?
Man muss erklären, wie Zellen mit identischer DNA sich differenzieren können. Wodurch sie also in der Lage sind, sich je nachdem, wo sie sich im Körper befinden, zum Beispiel zu Leber-, Haut- oder Blutzellen zu entwickeln.
Heute weiß man, dass es Signalmoleküle gibt, welche die Musterbildung während der Entwicklung von vielzelligen Lebewesen steuern.
Es ist also kein
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