Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
universelles hypothetisches Feld mehr notwendig, wie es Rupert Sheldrake postuliert, das Muster von Lebewesen auf andere überträgt.
Das Problem wurde von der deutschen Biologin Christiane Nüsslein-Volhard unter Mithilfe von Fruchtfliegen gelöst. Dafür bekam sie 1995 gemeinsam mit Eric F. Wieschaus und Edward B. Lewis den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin.
Beispiel 2:
Kristallisation
Ein anderes Beweismittel kommt laut Rupert Sheldrake aus der Chemie, in der lange das „Lernverhalten“ bei der Züchtung von Kristallen ungeklärt war. Wenn eine neue chemische Verbindung erstmals hergestellt wird, geht der Kristallisationsprozess langsam vonstatten; wenn andere Forscher das Experiment wiederholen, stellen sie fest, dass der Prozess schneller abläuft. Chemiker schreiben dies der gestiegenen Qualität späterer Experimente zu; die Fehler der früheren Versuche waren schon dokumentiert und wurden nicht erneut begangen.
Sheldrake hingegen glaubte, dass dies ein weiteres Beispiel für ein morphogenetisches Feld sei. Die Kristalle, die bei den ersten Versuchen gezüchtet worden waren, hätten schon ein Feld erschaffen, auf das die Kristalle der später durchgeführten Experimente angeblich zurückgreifen können.
Auch hier ist der Wunsch Vater des Gedankens: die Kristallisation hängt nicht von irgendwelchen Feldern, sondern im Wesentlichen von der Temperatur ab.
Doppelblindes Vertrauen
Sheldrake versucht etwas für Esoteriker Ungewöhnliches. Er behauptet nicht, seine Erfindungen könne man mit naturwissenschaftlichen Methoden nicht messen, sondern er sagt, dass er vielmehr genau das nicht nur versucht, sondern damit auch Erfolg hat.
Gut, sagen kann man alles, wenn der Tag lang ist. Kurioserweise ist aber ausgerechnet sein Scheitern ein Beweis für die Funktionstüchtigkeit der naturwissenschaftlichen Methodik. Warum? Wie funktioniert dieses System „Wissenschaft“ und warum verweigert es „Erneuerern“ wie Sheldrake die Anerkennung?
Am Anfang steht in der Naturwissenschaft oft, so auch bei Sheldrake, eine Behauptung, eine Idee. Die wird überprüft, dann aber scheiden sich die Wege. Wenn in der Naturwissenschaft eine Behauptung einer Überprüfung nicht standhält, und die Kriterien dafür sind genau definiert und werden streng geprüft, dann wird sie verworfen und nicht durch andere, ebenso untaugliche Behauptungen bestärkt oder gar zum Dogma erhoben. Ein gutes Beispiel dafür sind die Neutrinos. 2011 machten sie kurz Karriere als überlichtschnelle Elementarteilchen. Nach der sensationellen Veröffentlichung ihrer Höchstgeschwindigkeitsübertretung wurde weltweit an mehreren Forschungseinrichtungen überprüft, ob das stimmen könne. Und nachdem sich herausgestellt hat, dass es sich um einen Messfehler aufgrund eines losen Kabels gehandelt hatte, wurde die Messung von den überlichtschnellen Neutrinos schmucklos und sofort in den Mistkübel der wissenschaftlichen Irrtümer entsorgt. Hypothese abgelaufen, Ware nicht in Ordnung. Diese Überprüfungen sind genau und anonymisiert, damit möglichst wenig Fehler passieren. Wenn eine Behauptung allerdings der Überprüfung im Experiment und später im Peer Review standgehalten hat, dann gilt sie als akzeptiert und wird zunächst ernst genommen. Vorher nicht. Und auch nachher nur bis auf Weiteres.
Diese Methode, und nicht die Arbeit einzelner Genies, macht den großen Erfolg der Naturwissenschaften aus. Deshalb funktionieren Satelliten, Intensivstationen in Krankenhäusern, Spielkonsolen und Online-Kirchenaustritte. Und vieles mehr, was unser modernes Leben um so vieles leichter macht als das voriger Generationen. Weshalb wir deren Wissen oft gar nicht so dringend brauchen. Das vergessene, alte Wissen ist nämlich sehr oft weder alt noch vergessen. Sondern es ist entweder eine Erfindung jüngeren Datums, wie viele Behauptungen rund um den Einfluss des Mondes auf die Abläufe unseres Lebens oder die Telepathie, die es erst genauso lange gibt wie Telefone. Oder es war nutzloses oder gefährliches „Wissen“, dann ist es aufgrund der naturwissenschaftlichen Methode untergegangen. Komplizierter ist das nicht. Wer mehr hineingeheimnissen möchte, der kennt sich entweder nicht gut genug mit Naturwissenschaft aus oder verfolgt andere, oft nicht ganz lautere Absichten. Wichtigtuerei, Geschäftemacherei, Herstellung von Hierarchien – die Grundlage der esoterischen Geschäftswelt. Die Antwort auf die Frage vom Ende des ersten Kapitels lautet
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