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Gedankenmörder (German Edition)

Gedankenmörder (German Edition)

Titel: Gedankenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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wieder mit einem Fremden Tee trinken müssen. Mahmud hatte es aufgegeben. Statt krampfhaft seine aus der Art geschlagene Schwester zu verheiraten, hatte er sich voller Elan den Geschäften seiner Mutter gewidmet. Widerstrebend hatte er schließlich akzeptiert, dass Navideh mit einer deutschen Frau zusammengezogen war, angeblich um Geld zu sparen. Niemals durfte er erfahren, dass sie mehr als Bad und Küche teilten.

8
    Der nächste Tag begann für Steenhoff mit einer Überraschung. Emil Nolde hing wieder an seinem Platz, und zwar gerade, wie er mit einem schnellen Blick feststellte.
    Damit nicht genug, schmückte das Gegenstück zu Noldes
Herbstmeer
die gegenüberliegende Wandseite des Büros. Neugierig trat er näher. Es sah aus, als hätte Emil Nolde sich in einer stürmischen Nacht auf den Deich gesetzt und die wenigen Lichtreflexe des aufgewühlten Meeres auf der Leinwand festgehalten. Düster und bedrohlich wirkte das Wasser, als könnte es jederzeit über die Deiche drängen. Nur ein rötlicher Streifen am Horizont verriet, dass die dunkle Nacht bald zu Ende gehen würde.
    Herbstmeer IX
hatte der Maler sein Bild genannt. Steenhoff fand, es war voller Tiefe und Melancholie.
    «Ich hoffe, es gefällt Ihnen?», hörte er plötzlich Petersens Stimme hinter sich sagen. Sie hielt eine Teekanne mit Wasser in der Hand und sah ihn fragend an. «Ja, es ist wunderschön. Ich habe es noch nie zuvor gesehen», gestand Steenhoff. «Er soll über 20  Variationen von
Herbstmeer
gemalt haben», sagte Petersen. Überrascht sah Steenhoff die junge Frau an. «Woher wissen Sie das?»
    «Bevor ich zur Polizei ging, hatte ich überlegt, Kunstgeschichte zu studieren.» Steenhoff schüttelte amüsiert den Kopf. «Das ist allerdings ein gewaltiger Sprung. Von der Malerei zur Strafverfolgung.» Petersen nickte. «Entscheidend war schließlich das Gehalt. Ich wollte nie abhängig von jemandem sein. Als Kunstexpertin wäre mir wohl nichts anderes übrig geblieben, als mir einen Millionär zu angeln.» Im Stillen dachte Steenhoff sich, dass es ihr sicherlich gelungen wäre, wenn sie nur gewollt hätte. Doch er schwieg. Verstohlen betrachtete er die junge Frau.
    Sie hatte ihre langen schwarzen Haare zu einem lockeren Zopf geflochten und trug Jeans und einen weiten Baumwollpulli. Wie an den Tagen zuvor war sie ungeschminkt. Sie sah hübsch aus. Sehr hübsch sogar. Aber er wurde das Gefühl nicht los, dass sie sich in ihrer Kleidung versteckte.
    «Haben Sie heute Morgen schon Zeitung gelesen», fragte Petersen plötzlich. Steenhoff zuckte innerlich zusammen. Verdammt, das hatte er völlig vergessen! Da der Weser-Kurier auf dem Lande immer etwas später kam, hätte er kurz auf dem Weg zur Arbeit an einem Kiosk halten und sich die Zeitung holen müssen. Etwas, was er immer tat, wenn er an einem aktuellen Fall saß. Schließlich «lösten» die Schreiberlinge manchmal über Nacht seine Fälle, klagten Versäumnisse bei der Polizei an oder zerrten wichtige Zeugen ans Licht – besser so etwas zu wissen, bevor einen der Kommissariatsleiter morgens darauf ansprach.
    «Haben Sie eine Zeitung hier?», fragte Steenhoff unruhig. Petersen schüttelte den Kopf. «Die liegt beim Kommissariatsleiter. Aber es muss etwas über unseren Fall drinstehen. Herr Tewes soll heute Morgen schon ein lautstarkes Gespräch mit dem Geschäftsführer des Krankenhauses geführt haben. Angeblich sind die ziemlich sauer und glauben, wir hätten zu viel rausgegeben.»
    Wie immer, dachte Steenhoff. Erst passiert ein Skandal in einem Haus oder einer Behörde, und dann ist die Leitung empört, dass nicht alle stillschweigend weitermachen wie bisher.
     
    Als Steenhoff zur Frühbesprechung ins Zimmer des Kommissariatsleiters kam, lagen dort bereits auf einem kleinen Abstelltisch die Zeitungen aus.
«Irrer wütete in Leichenhalle»
, hatte die «Bild»-Zeitung getitelt und ein Foto aus einer Pathologie hinzugefügt, das nicht in einem Bremer Krankenhaus aufgenommen worden war. Darüber prangte ein dreispaltiges Bild des Krankenhauses West. Die Informationen waren eher dürftig und stützten sich auf die Pressemitteilung der Polizeipressestelle. Dafür hatten sie eine angeblich völlig verängstigte Krankenschwester interviewt, die ab sofort nur noch mit Abwehrspray ihren Dienst verrichten will. Steenhoff konnte sich bildlich vorstellen, wie der Geschäftsführer des Krankenhauses schäumte.
    Der Weser-Kurier hatte dezenter, aber für die Außenwirkung des Krankenhauses ebenso

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