Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedankenmörder (German Edition)

Gedankenmörder (German Edition)

Titel: Gedankenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
Vom Netzwerk:
Stunden.
    Bereits am selben Abend kam Vanessa vorbei, um sich die Wohnung anzuschauen. Als Navideh die Tür öffnete, stand vor ihre eine junge Frau in kurzer weinroter Lederjacke und engen Jeans. Sie trug einen langen, bunten Seidenschal und Stiefel. Alles an ihr strotzte vor Energie. Kaum stand Vanessa im Flur der Wohnung, da wusste Navideh, dass sie mit ihr gut auskommen würde. Tatsächlich saßen sie bis in den frühen Morgen zusammen und redeten.
    Vanessa nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Navideh hatte noch nicht den Tee aufgesetzt, da wusste sie schon von ihrer neuen Mitbewohnerin, dass sie nur Frauen liebte. Nach einer weiteren Stunde erfuhr Navideh, dass Vanessa nahezu pleite war, weil ihr neugegründetes Architekturbüro nicht genug Aufträge hatte.
    «Und deine Eltern?», hatte Navideh sich irgendwann getraut nachzufragen. «Was ist mit denen?»
    Vanessa schaute sie verwundert an.
    «Was sagen die zu deinen Vorlieben?»
    Vanessa lachte laut auf. «Na, erst haben die geschluckt, und dann haben sie es natürlich akzeptiert. Was bleibt ihnen auch anderes übrig?» Vergnügt zuckte sie mit den Schultern.
     
    ‹So einfach ist das›, schoss es Navideh durch den Kopf. Sie dagegen würde es nie wagen, ihrer Familie gegenüber so aufzutreten. Navideh fühlte sich von Vanessa seltsam berührt. Von ihr ging eine ungeheure Kraft aus. Als sie sich verabschiedeten, stellten sie fest, dass sie völlig vergessen hatten, über ihre jeweiligen Wohnvorstellungen zu sprechen. Doch Navideh hatte keinerlei Bedenken. Wie gut sie sich mit Vanessa verstehen würde, ahnte sie damals allerdings noch nicht. Und es dauerte dann auch noch ein Jahr, bis Navideh ihre Mitbewohnerin das erste Mal küsste.
    Sie liebte diese Frau, die auf alles direkt zuging. Ohne Umwege, ohne Notlügen. Und die ihren Ideen immer treu blieb. Vanessa machte Navideh Mut.
    Mit jedem halben Jahr, das nach ihrer Trennung von Marten verging, fühlte sie sich vor ihrer Familie sicherer. Sie war jetzt 29  Jahre alt und schon einmal geschieden. Für die meisten ihrer Landsleute war eine Frau in ihrem Alter und mit ihrer Biographie nicht mehr interessant. Die wenigen, die sich daran nicht störten und die Mahmud mit ihr verkuppeln wollte, schreckte sie mit kleinen, gut einstudierten Einlagen ab. Als sie Vanessa eines Abends davon erzählte, hatte ihre Freundin vor Lachen auf dem Boden gelegen und sich die Geschichte immer wieder wiederholen lassen.
    «Den einen Typ war ich nach einer Viertelstunde wieder los», erinnerte sich Navideh grinsend.
    Ihr Bruder war damals kurz aus dem Zimmer der elterlichen Wohnung in Hamburg gegangen, und der Mann hatte unbedingt ein Gespräch mit der einsilbigen Schönheit anfangen wollen. Da bohrte die Frau auf dem Sofa vor ihm plötzlich gedankenversunken in der Nase, betrachtete das Ergebnis auf ihrem Finger versonnen und – aß es auf.
    Für ihre Freiheit hätte Navideh auch noch das linke Nasenloch leergeräumt und den Inhalt aufgefuttert.
    «Iraner legen viel Wert auf Höflichkeit. Mit so einem Verhalten ist man bei denen für immer unten durch», hatte sie Vanessa lachend erklärt. Natürlich hatte der Verehrer Mahmud nichts von dem ungebührlichen Betragen seiner Schwester erzählt und sich nie wieder gemeldet.
    Doch einige Monate später musste Navideh erneut schauspielern. Diesmal hatte Mahmud sie gezwungen, mit einem 20  Jahre älteren Mann im Wohnzimmer der Familie Tee zu trinken. Der Mann hatte seine Frau verloren und suchte nun für seine beiden halbwüchsigen Töchter einen Mutterersatz und für sich eine neue Partnerin.
    Navideh hatte ihn vom ersten Moment an nicht gemocht. Gierig ruhten seine Blicke auf ihr, als sie für einen Moment alleine waren. Während er auf Navideh einredete, gähnte sie demonstrativ.
    «Du bist heute wohl zu früh aufgestanden», sagte der 50 -jährige Mann und versuchte, mit der jungen Frau ins Gespräch zu kommen. Navideh musste wieder gähnen und winkte ab.
    «Nein, ich bin zu spät ins Bett gegangen. Da hat so eine Spitzendisco in Harvestehude aufgemacht …» Sie ließ den Satz unbeendet und betrachtete voller Interesse ihre lackierten Fingernägel.
    «Wissen deine Mutter und dein Bruder davon?», hatte sie der Besucher konsterniert gefragt.
    Doch Navideh hatte nur den Finger auf ihre Lippen gelegt und verschwörerisch geflüstert: «Wissen Sie, die müssen nicht alles wissen.» Sie kicherte hysterisch.
    «Da halte ich es so wie meine deutschen Freunde.»
    Seitdem hatte sie nie

Weitere Kostenlose Bücher