Gedankenmörder (German Edition)
war beiden der Vorfall noch Jahre später in Erinnerung.
«Wie siehst du denn aus?»
Ira erschrak, als sie ihren Mann anschaute. Er sah blass und deprimiert aus. «Hast du einen Unfall gehabt?»
«Nein, ich bin einfach nur kaputt. Eigentlich möchte ich nur noch ins Bett.»
Ira sah ihn herausfordernd an: «Ich habe dir aber was gekocht.» «Danke. Aber ich hab keinen Hunger mehr.»
Iras Mienenspiel alarmierte Steenhoff sofort. Bevor seine Frau loslegen konnte, sagte er schnell: «Vielleicht nehme ich doch eine kleine Portion. Eigentlich habe ich seit Stunden nichts mehr gegessen.»
Stumm ging Ira zur Mikrowelle und schob das kalte Ragout hinein.
«Willst du mir sagen, was dich so beschäftigt?», fragte sie ihren Mann, während sie das Salz aus dem Küchenschrank holte.
Der seufzte vernehmlich. «Am liebsten würde ich heute Abend nur hören, wie es dir und Marie geht», antwortete Steenhoff.
Ira griff den Ball sofort auf. Wenn sie ehrlich war, hatte sie heute auch keine Lust, über irgendwelche Sexualtäter zu reden.
Ira begann, von Marie zu erzählen. Das Reiten auf der Jugendfarm tat ihr offenbar gut. «Sie hat sich jetzt auch für die Pflege eines anderen Pferdes in den Stallplan eingetragen. Die scheinen dort eine nette Clique von Mädchen zu haben. Nach meiner Reise will ich mir die Farm mal in Ruhe anschauen.»
Erstaunt schaute Steenhoff von seinem italienischen Kalbfleischragout auf.
«Welche Reise?»
Ira schenkte ihm ihr charmantestes Lächeln. «Frank, es bietet sich mir eine grandiose Chance in Dänemark.»
Sie legte eine Pause ein und überlegte, wie sie beginnen sollte.
Steenhoff wagte nicht weiterzuessen. Jetzt musste er auf der Hut sein. Iras Pläne hatten schon so manches Mal sein Leben durcheinandergewirbelt.
«Du kennst doch die Behrens?», sagte Ira schließlich.
Steenhoff nickte vorsichtig. «Du meinst die Kaffee-Erbin, die bei dir seit zwei Jahren Yoga macht.»
Er wurde mit einem weiteren Lächeln bedacht. «Stell dir vor, die sucht jemanden, der ihr wunderschönes Ferienhaus auf Bornholm verwaltet.» Ira schaute ihn triumphierend an.
«Ja und?» Steenhoff wusste nicht, was die Pläne irgendwelcher wohlhabender Leute mit ihm und seiner Familie zu tun haben sollten. «Mensch, Frank, wir wollten doch immer nach Bornholm.»
«In die Toskana», korrigierte Steenhoff seine Frau trocken.
Mit einer ungeduldigen Handbewegung wischte Ira den Einwand weg. «Ja, aber früher, erinnerst du dich nicht? Da haben wir immer von einem kleinen roten Bornholmer Holzhaus am Meer geträumt. Und jetzt können wir es haben, und», mitten im Satz hielt Ira inne und schaute auf den Teller ihres Mannes. «Nun iss doch endlich mal was.»
Schon nach wenigen Sätzen wusste Steenhoff, dass Ira längst alles beschlossen hatte. Sie war Feuer und Flamme für ihre Idee. Die Erbin, wie Steenhoff die unscheinbare Frau nannte, die zweimal die Woche zum Yoga bei ihnen erschien, war ihres dänischen Hauses offenbar überdrüssig geworden.
«Das Wetter ist ihr nicht beständig genug», sagte Ira entrüstet. «Kannst du dir das vorstellen? Dabei ist Bornholm doch eine Sonneninsel. Na, jedenfalls hat sie sich jetzt ein Haus auf El Hierro gekauft und sucht jemanden, der für sie ihr Bornholmer Haus an gutsituierte Urlauber aus ganz Europa vermietet. Erst mal für zwei Jahre. Und für diesen Job wünscht sie sich mich», sagte Ira triumphierend.
«Und ich werde dann Inselpolizist und jage Fahrradfahrer, die in Svaneke schneller als zehn Stundenkilometer fahren», sagte Steenhoff trocken.
Ira ging gar nicht auf seine Bemerkung ein.
Ruhig und sanft, als hätte sie ein bockiges Kind vor sich, malte sie ihm die Vorzüge ihres «zweijährigen Engagements» aus. Am Anfang würde sie häufiger für ein paar Tage auf die Insel fahren müssen. Hätte sich aber erst einmal alles eingespielt, könnte sie die meiste Arbeit am Computer von zu Hause aus machen. Das Beste aber wäre, dass sie künftig kostenlos in einem Luxushaus am Meer Urlaub machen könnten.
«Aber wir können doch Marie hier nicht allein lassen», versuchte Steenhoff Ira ein letztes Mal zu bremsen. Seine Frau ging gut gelaunt zum Kühlschrank, holte eine Schale Zabaione und stellte sie geräuschvoll direkt neben seinem Teller ab.
«Marie findet die Idee toll. Und außerdem bist du ja auch noch da. Du wirst sehen: In zwei Wochen, wenn ich fahre, sitzt euer Leichenliebhaber längst hinter Gittern.»
11
Doch diesmal irrte Ira. Auch in der nächsten
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