Gedankenmörder (German Edition)
ihre Intimsphäre und kriecht in ihr Bett. Im übertragenen Sinne ist das ein gewaltsamer sexueller Akt. Irgendwie raubt er ihr damit auch noch das letzte Fünkchen Würde.»
«Ich glaube, wir haben es hier mit einem sehr ungewöhnlichen Sexualtäter zu tun», pflichtete ihr Wessel bei.
Rüttger, der bislang geschwiegen hatte, räusperte sich. «Der Täter geht sehr zielgerichtet und skrupellos vor. Zugleich geht er ein hohes Entdeckungsrisiko ein. Das Bett der Frau muss voll mit DNA -Material von dem Kerl sein. Und dann setzt er sich auch noch an ihr Bett auf der Intensivstation. Vorausgesetzt, Navideh hat recht und ‹Sven› ist wirklich nicht ihr Freund, dann lässt unser Täter sein Opfer seit dem Unfall nicht aus seinen Klauen. Vermutlich kannte er Birgit Lange schon vorher. Wobei ich keinen blassen Schimmer habe, wie er gerade zur rechten Zeit an dem Unfallort auftauchen konnte.»
Während Rüttger seine Gedanken skizzierte, notierte Steenhoff, die Krankenhäuser in Bremen und Niedersachsen nach Leichenschändungen der vergangenen Jahre abzutelefonieren. «Zumindest im Schlüsselbuch des Pförtners hat unser Mann eine Nachricht für uns hinterlassen», sagte Rüttger. Erwartungsvoll schauten ihn die anderen an.
«Zweimal hat sich ein gewisser Steffen Meier in das Buch eingetragen, der dann aber nicht mehr in dem Leicheneingangsbuch auftaucht, das in der Pathologie ausliegt.»
Fragend sah Fabian Block seinen älteren Kollegen an. Dieser erklärte ihm knapp, dass jeder Krankenhausbedienstete, der außerhalb der normalen Öffnungszeiten der Pathologie einen Verstorbenen in ein Kühlfach legen will, zuvor den Schlüssel beim Pförtner abholen muss.
«Den bekommt er nur, wenn er sich dort mit seinem Namen und seiner Station einträgt. Im Leicheneingangsbuch in der Pathologie wiederum muss der Name des Verstorbenen und des Krankenhausmitarbeiters notiert werden. Ein Steffen Meier hatte sich als Letzter den Schlüssel vom Pförtner geholt. Im Buch in der Pathologie taucht er aber nicht wieder auf.»
«Ein Versehen?», hakte Steenhoff nach.
«Wohl kaum», antwortete Rüttger. «Erstens arbeitet kein Steffen Meier im Krankenhaus West, und zweitens hatte sich Steffen Meier auch beim Pförtner eingetragen, als vor einigen Wochen die erste Leiche geschändet wurde.»
«Die junge Frau, die beim Reiten tödlich verunglückt war», sagte Steenhoff nachdenklich. Rüttger nickte.
«Wir müssen überprüfen, ob es zwischen den beiden Frauen irgendwelche Überschneidungen gibt, ob sie im selben Verein sind, sich kennen, in einem Studiengang waren oder gemeinsame Freunde haben. Verdammt! Wo ist der rote Faden in dieser Geschichte? Und woher weiß dieser Steffen Meier, wie man an den Schlüssel für die Pathologie kommt?» Unwillig sprang Steenhoff auf und schaute auf den Parkplatz des Präsidiums. Eine Weile sagte niemand etwas.
Schließlich begann Steenhoff, die Aufgaben zu verteilen. Block und Petersen sollten an der Uni nach Birgit Langes Kommilitonen suchen und sie über das Opfer «ausquetschen», wie Steenhoff betonte.
Wessel wollte sich um Informationen über die tödlich verunglückte Reiterin kümmern, während Rüttger die Nachbarn im Haus von Birgit Lange befragen sollte. Vielleicht hatten sie ja Glück, und jemand hatte einen verdächtigen Mann im Hausflur bemerkt. Steenhoff selber hatte sich noch mit dem Ehemann des zweiten Opfers verabredet. Einer Deutsch-Russin, die nun ohne Brüste beerdigt werden würde.
Da ein tödlich endender Streit in einer türkischen Familie in Walle die Männer von der Tatortgruppe noch bis zum Abend in Anspruch nehmen würde, konnten die Fachleute erst am folgenden Morgen in Birgit Langes Wohnung. Die Ermittler verabredeten, sich am nächsten Mittag bei Steenhoff und Petersen im Büro zu treffen. Bevor Wessel ging, gab er Steenhoff noch den neuen Haustürschlüssel von Birgit Langes Wohnung. Vorsichtshalber hatten die Beamten das Schloss austauschen lassen.
Anschließend versuchte Steenhoff, Ira zu erreichen. Doch zu Hause war niemand. Er sprach seiner Frau auf den Anrufbeantworter, dass es etwas später werden würde.
Danach machte er sich auf den Weg zu Andreas Bartel.
Der Kollege kam ihm auf dem Flur entgegen, in der Hand eine Kanne mit Kaffee.
«Ich habe auch noch ein paar dänische Kekse im Büro. Du siehst aus, als könntest du eine Stärkung gebrauchen», begrüßte ihn der Fallanalytiker freundlich.
Die nächsten zwei Stunden gingen die beiden Männer den
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