Gedankenmörder (German Edition)
Bauern lagen. Danach ging er ins Bett.
‹Ich sollte häufiger spielen›, dachte er und war wenige Minuten später schon eingeschlafen. Steenhoff merkte nicht mehr, wie Ira kurz nach Mitternacht ins Zimmer kam, sich im Dunkeln auszog und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. Doch im Halbschlaf drehte er sich plötzlich zu seiner Frau um und schmiegte sich an ihren Rücken. Eng umschlungen fielen beide in den Tiefschlaf.
Wie üblich kaufte sich Steenhoff am nächsten Morgen auf dem Weg zur Arbeit einen Weser-Kurier. Als er die Schlagzeile in der Lokalausgabe las, fluchte er so laut, dass die Kioskverkäuferin zusammenzuckte.
«Irgendetwas nicht in Ordnung, Herr Kommissar?», fragte die ältere Frau besorgt und schaute mühsam hinter ihrem vollgestellten Tresen hervor. Steenhoff bemerkte ihre Frage gar nicht. Hastig überflog er den Artikel von Andrea Voss.
Die Zeitung hatte getitelt:
«Weiteres Opfer des Leichenschänders? Bestatter verschwieg Einbruch in Trauerraum.»
In ihrem Artikel ging Andrea Voss auf einen Vorfall in einem Beerdigungsinstitut ein, der schon mehrere Monate zurückliegen musste. Sie nannte weder Namen noch den Stadtteil und ließ offen, ob es sich um ein Unternehmen aus dem Umland handelte. Doch dafür versorgte sie ihre Leser mit Details. Danach hatte ein Mitarbeiter des Instituts morgens festgestellt, dass der Hintereingang aufgebrochen worden war. Die Befürchtung des Mannes, der Einbrecher könnte sich an Computern oder Schränken zu schaffen gemacht haben, bestätigte sich aber nicht. Bei der Kontrolle aller Räume öffnete der Mann schließlich auch den heruntergekühlten Trauerraum, in dem eine Frau aufgebahrt lag. Die Radfahrerin hatte sich bei ihrem tödlichen Sturz erhebliche Gesichtsverletzungen zugezogen. Am Vormittag sollten ihre Angehörigen kommen, um in Ruhe Abschied zu nehmen. Dafür hatten der Bestatter und seine Helfer die Verletzungen der Frau sorgsam mit Make-up überdeckt.
Doch an diesem Morgen war das Gesicht der Frau neu geschminkt.
«Nach Informationen unserer Zeitung soll die Tote grotesk ausgesehen haben»
, schrieb Andrea Voss.
Außerdem sei ihr Unterleib nackt gewesen. Laut Artikel hatte der Firmenchef zwar den Einbruch bei der Polizei gemeldet, seine Mitarbeiter aber gezwungen, kein Wort über den geschändeten Leichnam nach außen dringen zu lassen. Er fürchtete offenbar um den Ruf seines Beerdigungsinstitutes.
Der Bericht endete mit Mutmaßungen darüber, ob es sich um denselben Täter wie aus dem Krankenhaus West handeln könne und ob noch weitere Verbrechen des bizarren Täters von Krankenhäusern oder Beerdigungsinstituten vertuscht worden sein könnten. Steenhoff fluchte ein zweites Mal, legte einen Fünfeuroschein auf einen Stapel Zeitschriften und rannte zu seinem Auto. Er hörte nicht mehr, wie die Kioskverkäuferin hinter ihm herrief, dass er noch Geld zurückbekomme.
Nach wenigen Kilometern lenkte er sein Auto auf einen Parkplatz und gab die Nummer von Andrea Voss in sein Handy ein. Der Anschluss war besetzt. Er konnte nur hoffen, dass die Journalistin ihr Wissen nicht gerade an andere Medien verkaufte. Nach dem dritten Versuch meldete sich Andrea Voss endlich.
«Ich bin es, Frank. Andrea, wo hast du diese Information her?»
«Guten Morgen erst mal», wies ihn die junge Frau zurecht.
«Moin», antwortete Steenhoff kühl. «Also, Andrea, wer ist dein Informant?»
Doch die Reporterin ging nicht auf seine Frage ein.
«Weißt du eigentlich, wie früh es ist? Viertel nach sieben! Im Gegensatz zu dir habe ich kein Kind, das ich morgens zur Schule bringen muss. Du hast mich aus dem Tiefschlaf gerissen.»
Das war glatt gelogen, und Steenhoff konterte sofort: «Nicht ich habe dich geweckt, sondern der Anrufer vor mir. Außerdem ist das hier kein Kinderkram, was wir ermitteln. Das weißt du genauso gut wie ich. Wenn es nottut, werfe ich Zeugen mitten in der Nacht aus dem Bett.»
Einen Moment war es still am anderen Ende. Offenbar ließ sie sich die Standpauke durch den Kopf gehen. Aber da hatte er sich verrechnet.
«Sag mal, Frank, spinnst du eigentlich? Wann immer ich dich in den vergangenen Wochen angerufen habe, um etwas über diesen Leichenfall zu erfahren, hast du mich mit Nebensächlichkeiten abgespeist oder hattest keine Zeit zu telefonieren. Ihr sitzt mit fünf Leuten an dem Fall und findet nicht raus, dass der Typ sich schon in Beerdigungsinstituten rumgetrieben hat. Wieso sollte ich nun auf einmal mein Wissen vor dir
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