Gedankenmörder (German Edition)
bereits vermutet hatte, wies der Mann in seiner Vernehmung entschieden zurück, den Leichnam angefasst zu haben.
«Zumindest wissen wir jetzt aber, wer sich am Beginn des kleinen Stichweges erbrochen hat», sagte Wessel trocken. «Unserem Jogger war immer noch übel, als wir ihn vernommen haben.»
Die Besprechung ging an diesem Morgen ungewöhnlich schnell zu Ende. Ein Teil der Beamten sollte die Befragung der Anwohner des Bürgerparks fortsetzen.
Steenhoff selbst wollte mit drei Kollegen zum Straßenstrich fahren, um die Prostituierten nach der jungen Frau zu befragen. Dazu wollten sie ein Foto und die Kette mitnehmen.
Petersen und Rüttger mussten noch die Nachtschwester von der Intensivstation vernehmen. Die anderen sollten sich die Patientendaten der vergangenen zwölf Monate vom Krankenhaus West vornehmen. Zwar war das Raster ziemlich groß, in dem sich der Täter verfangen sollte, aber zumindest wussten sie, dass ‹Sven› zwischen 20 und 30 Jahre alt war und etwa 1 , 85 Meter groß. Und sie hatten ein Phantombild.
Sollte er, wie sie hofften, zuvor im Krankenhaus West als Patient gelegen haben, würden sie mit etwas Glück früher oder später auf seinen Namen kommen.
Steenhoff war auf dem Weg zu seinem Dienstwagen, als ihn Ira anrief.
Sie erkundigte sich nach seiner Besprechung und dem Fortgang der Ermittlungen. Am Abend zuvor hatten sie sich nicht mehr gesehen, und morgens war er schon früh aus dem Haus gegangen. Iras Stimme klang angespannt. Als Steenhoff wissen wollte, was sie heute zu erledigen habe, wich sie aus. «Nichts Besonderes. Den üblichen Haushaltsmanagerkram», versuchte sie zu scherzen und schwieg. Steenhoff wurde unruhig. «Ist was, Ira?»
«Nein.» Ira seufzte. «Ja. Ach, ich will dich damit nicht auch noch belasten. Aber ich mache mir Sorgen um Marie.»
Steenhoff schaute auf zwei seiner Kollegen, die in einiger Entfernung auf ihn warteten und ihn fragend anschauten. Er spreizte die Finger seiner rechten Hand und signalisierte ihnen: noch fünf Minuten.
«Was ist mit Marie?»
Ira holte tief Luft. «Ich wollte es dir schon gestern sagen. Aber du bist ja erst so spät von der Arbeit gekommen.»
Steenhoff merkte, dass ihm die Zeit davonlief. Ungeduldig hakte er erneut nach. «Nun sag schon, Ira. Was ist los?»
«Ach, irgendjemand hat in der Nacht diese kleine Ziege getötet, die Marie mit der Flasche aufgezogen hat. Marie läuft nur noch mit verheulten Augen durch die Gegend.»
«Welche Ziege?», fragte Steenhoff verwirrt.
«Hat sie dir nie von Ferdinand auf der Jugendfarm erzählt?»
Plötzlich hatte Steenhoff wieder die Szene vor Augen, wie Marie mit dem Zivildienstleistenden Daniel über den Zaun des Geheges stieg und dem jungen Bock die Flasche gab.
«Doch, klar hat sie mir das erzählt», beeilte sich Steenhoff zu sagen. Krampfhaft suchte er nach etwas Tröstlichem, das er Ira sagen könnte. «Ich werde heute mal versuchen, mit dem Revierleiter zu sprechen. Vielleicht können die dort öfter nachts Streife fahren. Möglicherweise haben sie ja schon einen Hinweis auf die Täter. Wenn nicht, werde ich denen mal vorschlagen, damit an unsere Pressestelle zu gehen. Eine aufmerksame Öffentlichkeit kann manchmal ein besserer Schutz sein als ein neuer Zaun. Sag Marie das und gib ihr einen Kuss von mir, okay?»
Erfreut registrierte er, dass Ira erleichtert wirkte.
Eine Viertelstunde später standen Steenhoff und seine Kollegen in ihrem Auto an der Cuxhavener Straße. Der Straßenstrich in diesem Teil Bremens war ein Überbleibsel aus der Zeit, als der Stadtteil noch fest in der Hand von Arbeitern und Seeleuten aus den Hafengebieten war. Längst arbeitete der Großteil der Bremer Prostituierten in kleinen Wohnungen, die selbst in bürgerlichen Vierteln zu finden waren. Nur in der Cuxhavener Straße und im sogenannten Viertel hatte sich noch ein Straßenstrich erhalten. Doch während im Viertel fast ausschließlich drogenabhängige Frauen anschaffen gingen, boten sich hier junge Osteuropäerinnen ebenso an wie in die Jahre gekommene Hausfrauen.
Zu diesem Zeitpunkt war nur wenig los. Steenhoff sah, wie Fabian Block auf eine etwa 55 -jährige Frau zuging, die ihn mit ihren dauergewellten blondierten Haaren an eine Verkäuferin aus einem Supermarkt erinnerte. Unter ihrem schwarzen, mit unzähligen Pailletten bestickten Jäckchen trug sie ein rosafarbenes Bustier, das ihren gewaltigen Busen notdürftig in Form hielt.
Sie schenkte Block ein breites Grinsen, das wohl
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