Gedankenmörder (German Edition)
ich euch miteinander bekannt», versprach Steenhoff und verabschiedete sich von der Reporterin. Erst ein paar Minuten später bemerkte er, dass sie ihn gar nicht nach neuen Fakten in dem Mordfall gefragt hatte. So zurückhaltend kannte er sie gar nicht.
Noch während er sich auf den Weg zu seinem Auto machte, beschäftigte ihn das Telefonat. Hatte sie die Geschichte von Petersen so berührt, dass sie ihr reflexartiges Nachfragen diesmal vergessen hatte? Der dichte Stadtverkehr lenkte Steenhoff einen Moment ab. Nachdem er eine der vielen Baustellen in Bremen passiert hatte, fuhr er Richtung Gröpelingen. Dort lag die alte Justizvollzugsanstalt, hinter deren Mauern Petersens Bruder saß.
Obwohl ihn der Pförtner seit Jahren kannte, musste er am Eingangstor seinen Ausweis zeigen. Ein albernes Ritual, wie Steenhoff fand. Zugleich symbolisierte es für ihn jedes Mal den Eintritt in eine andere Welt. Auch sein Handy und die Dienstpistole musste er an der Pforte zurücklassen. Bevor er die Krankenstation betrat, atmete Steenhoff tief durch. Der Krankenpfleger war durch den Pförtner bereits über Steenhoffs Besuch informiert worden. Er nickte Steenhoff freundlich zu. «Sie können reingehen.»
Zu Steenhoffs großer Erleichterung lag Mahmud allein in dem Drei-Bett-Zimmer. Ohne Gruß und völlig desinteressiert musterte er den Besucher.
Steenhoff begriff plötzlich, dass Mahmud ihn nicht erkannte. Offenbar war er an dem Abend völlig auf seine Schwester und Vanessa fixiert gewesen.
«Mahmud Mashayekhi, ich bin Kriminalhauptkommissar Frank Steenhoff.»
Der Mann zeigte keinerlei Reaktionen.
«Ich bin Navidehs Kollege. Ich habe Sie gestern festgenommen.» Noch immer schwieg der Mann. Einen Moment war sich Steenhoff nicht sicher, ob der Verletzte unter Beruhigungsmitteln stand oder überhaupt begriffen hatte, was er gesagt hatte.
«Um es kurz zu machen. Ich dulde es nicht, dass Sie sich Navideh noch einmal nähern.»
Mahmud lachte verächtlich auf.
«Und wie wollen Sie das verhindern?»
«Gar nicht. Sie werden es einfach nicht mehr tun. Oder Sie werden es den Rest Ihres Lebens bereuen», sagte Steenhoff ruhig.
«Ich fange schon jetzt an zu zittern», erwiderte Mahmud und schaute Steenhoff spöttisch an. «Und womit wollen Sie mir drohen? Mit Verfügungen, Ordnungsstrafen oder Ihrem lächerlichen Gesetzbuch? Spätestens in ein paar Tagen bin ich wieder frei. Ich bin nicht vorbestraft und habe einen festen Wohnsitz. Kein Haftrichter wird mich in U-Haft schicken. Also, was soll’s.»
Er lachte überheblich.
«Sie haben ein gutgehendes Kunsthandwerkgeschäft in Hamburg», wechselte Steenhoff abrupt das Thema. Das Grinsen auf dem Gesicht des Mannes gefror.
«Nichts, das man gerne verlieren möchte, nehme ich an.»
Steenhoff sah, dass Mahmud sich aufzurichten versuchte.
«Was reden Sie da? Warum sollte ich es verlieren?»
Steenhoff schwieg und ließ den Mann zappeln.
«Warum sollte ich es verlieren können, will ich von Ihnen wissen?», herrschte Mahmud ihn an.
«Weil Sie dort einen schwunghaften Handel mit Drogen betreiben», sagte Steenhoff scharf.
«Das ist nicht wahr», brauste Mahmud auf.
«Aber es könnte wahr werden», meinte Steenhoff ruhig.
«Manchmal gibt es ganz überraschende Funde. Meine Hamburger Kollegen sind sehr kreativ in der Suche. Ein paar Kilo Heroin zwischen Ihren Holzschalen und geschnitzten Schachfiguren und Ihr Laden ist dicht. Ruckzuck sitzen Sie in Abschiebehaft.»
«Heißt das, Sie wollen mir etwas unterjubeln? Ich werde mir einen Anwalt nehmen und Sie anzeigen.»
«Vorsicht, sonst zeige ich Sie noch heute wegen Verleumdung an», sagte Steenhoff eisig. «Ich warne Sie lediglich: Lassen Sie die Finger vom Rauschgifthandel. Kein Richter wird daran etwas Verwerfliches finden, zumal in Hamburg gerade ein Ring von iranischen Drogenhändlern aufgeflogen ist. Also merken Sie sich: Beim kleinsten Fehler sind Sie dran. Ein Telefonat mit Navideh, eine SMS auf das Handy Ihrer Schwester, und die Rauschgiftfahndung stellt Ihr Geschäft auf den Kopf.»
Er musterte den Mann.
«Haben wir uns verstanden?»
Voller Genugtuung bemerkte Steenhoff, dass Mahmud Schweiß auf der Stirn hatte.
«Haben wir uns verstanden?», fragte er ein zweites Mal.
Der Mann nickte. Seine Unterlippe bebte. Wortlos ging Steenhoff zur Tür. Als er die Klinke in der Hand hatte, drehte er sich noch einmal um.
«Sie haben recht. Unsere Gesetze sind für Typen wie Sie viel zu lasch.»
21
Auf dem Weg zur Pforte der
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