Gedankenmörder (German Edition)
Robert Müller ungerührt fort.
«Nachdem ihr der Wachhabende am Telefon mühsam versucht hat zu erklären, dass wir dafür nicht genug Personal haben und so eine Schweinerei sowieso nicht mehr als eine Sachbeschädigung ist, hat sie uns mit der Presse gedroht.»
«Sie hat was?», fragte Steenhoff ungläubig.
«Dann gehe ich damit zum Weser-Kurier», zitierte Müller Steenhoffs Tochter und versuchte, die Stimme des Mädchens nachzumachen.
«Keine Sorge. Das wird sie nicht tun», knurrte Steenhoff. «Du musst entschuldigen, Robert. Marie ist eine große Tierfreundin. Ich wusste nicht, dass sie bei euch angerufen hat.»
«Schon gut», lenkte Müller eine Spur freundlicher ein.
«Ich finde es ja auch nicht witzig, was da auf der Farm passiert ist. Aber mir sind die Hände gebunden. Wir fahren die Farm jetzt einmal die Nacht an. Aber mehr ist nicht drin. Mit anderen Worten: Wir müssen auf den Zufall hoffen, dass der Täter uns direkt in die Arme läuft.»
Aufgewühlt verabschiedete sich Steenhoff von dem Revierleiter. Er nahm sich vor, gleich am Abend mit Marie zu reden. Es ging nicht an, dass die Tochter eines Polizisten den Kollegen mit der Presse drohte. Wie stand er jetzt da? Vor allem fragte er sich, warum Ira Marie nicht ausgerichtet hatte, dass er sich um die Angelegenheit kümmern würde?
Er nahm sich vor, am Abend früher nach Hause zu fahren und ernsthaft mit seiner Tochter zu sprechen.
Sein anschließender Besuch bei Navideh verlief anders als geplant. Die junge Frau schlief tief, als er vorsichtig die Tür zu ihrem Zimmer öffnete. Dafür schreckte Vanessa hoch. Sie hatte es sich in demselben Sessel bequem gemacht, in dem Steenhoff in der Nacht gewartet hatte, bis Navideh eingeschlafen war. Vanessa gab ihm ein Zeichen, dass sie mit ihm vor die Tür gehen würde.
«Wie geht’s ihr?», fragte Steenhoff unvermittelt im Flur.
«Ich glaube, nicht so gut», antwortete Vanessa.
«Sie spricht viel im Traum und stöhnt. Wenn sie wach ist, mimt sie die Unerschütterliche.»
«Und was spielen Sie ihr vor?», fragte Steenhoff sanft. Überrascht sah ihn die junge Frau an. Dann lächelte sie plötzlich. «Sie haben recht. Ich versuche, Navideh nicht auch noch mit meinen Ängsten zu belasten.»
«Das ist falsch», entgegnete Steenhoff spontan. «Nur Sie beide wissen, was für schreckliche Momente hinter Ihnen liegen. Sie sollten darüber reden. Offen und vor allem ehrlich. Angst kann einen auffressen. Sprechen Sie miteinander. Das wird besser für Sie sein, als sich gegenseitig etwas vorzumachen.»
Vanessa sah ihn nachdenklich an.
«Sie haben recht.»
Seufzend lehnte sie sich an den Türrahmen zu Navidehs Zimmer. Einen Moment lang musterte sie den Mann, der vor ihr stand.
«Ehrlich gesagt habe ich mich in den vergangenen Stunden manchmal gefragt, warum Navideh wollte, dass ich in dieser Nacht ausgerechnet Sie anrufe.»
Sie zuckte verlegen mit den Schultern.
«Ich meine, Sie beide hatten ja auch schon so manche Meinungsverschiedenheit in den vergangenen Wochen.»
Steenhoff nickte und wollte etwas erwidern. Doch Vanessa war mit ihrem Gedanken noch nicht zu Ende.
«Ich glaube, Sie hat trotz allem viel Vertrauen zu Ihnen.» Vanessa sah Steenhoff direkt an. «Es klingt vielleicht kitschig, aber mir geht es nicht anders.»
Einen Moment lang wusste Steenhoff nicht, was er sagen sollte. Abrupt wechselte er das Thema.
«Ich muss dann mal. Der Kerl da draußen lässt uns keine Ruhe. Und ohne Navideh wird es nicht einfacher, ihn zu fassen. Sagen Sie ihr einen herzlichen Gruß von mir. Ich melde mich morgen wieder.»
Bevor Steenhoff wusste wie ihm geschah, umarmte Vanessa ihn. Dann drehte sie sich stumm um und ging zurück in das Krankenzimmer.
Am späten Nachmittag trafen sich Steenhoff, Rüttger, Wessel und Block zu ihrer ersten Besprechung, seit die Sonderkommission wieder verkleinert worden war. Erneut trugen sie zusammen, was sie bislang über den Täter wussten. Steenhoff stand an einem Clipchart und notierte, während seine Kollegen ihm Stichworte zuwarfen.
«Fest steht, dass er tötet, schändet und quält und es geschafft hat, bislang nicht einmal aufzufallen. Wir haben keinerlei registriertes DNA -Material von ihm», eröffnete Rüttger die Runde. «Daraus könnte man folgern, dass er bislang keine typisch kriminelle Laufbahn hatte und sehr intelligent ist.»
«Aber jetzt wird er leichtsinnig», warf Wessel ein. «Er hat an allen Tatorten DNA -Spuren hinterlassen.»
«War es Leichtsinn
Weitere Kostenlose Bücher