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Gedankenmörder (German Edition)

Gedankenmörder (German Edition)

Titel: Gedankenmörder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Gerdts
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Justizvollzugsanstalt ging Steenhoff den verbalen Schlagabtausch mit Mahmud innerlich noch einmal durch. Der Mann war intelligent – und gefährlich. Er hatte sofort erkannt, dass der Polizeibeamte Grenzen überschritten hatte und deshalb seinerseits gedroht.
    ‹Ich muss mir noch heute ein Gedächtnisprotokoll machen›, nahm sich Steenhoff vor. Schließlich ging es um einzelne Formulierungen.
     
    Er hatte sich zuvor genau überlegt, welches Szenario Mahmud so beeindrucken könnte, dass er in Zukunft Navideh in Ruhe lassen würde. Als einzige Möglichkeit erschien Steenhoff, Mahmud die Abschiebung in sein Heimatland anzudrohen. Bewusst hatte er nur angedeutet, wie «kreativ» die Hamburger Ermittler bei der Suche nach Rauschgift sein könnten. Steenhoff hatte darauf gesetzt, dass Mahmud ähnliche Geschichten von Verwandten aus dem Iran kannte. Denn es war ja in vielen korrupten oder diktatorischen Gesellschaften üblich, unliebsame Zeitgenossen eine Zeitlang aus dem Weg zu räumen, indem man ihnen einfach eine Straftat unterschob.
    Nein, Mahmud würde ihm nichts nachweisen können, dachte Steenhoff. Im Falle einer Anzeige würde er ihr Gespräch sehr detailliert schildern und nur die entscheidenden Passagen in Nuancen anders wiedergeben. Dann stünde Aussage gegen Aussage. Unwahrscheinlich, dass jemandem, der kurz zuvor eine Polizistin angegriffen und deren Freundin fast vergewaltigt hatte, mehr Glauben geschenkt würde als einem Hauptkommissar.
     
    Es war das erste Mal, dass Steenhoff in seiner Polizeilaufbahn die unsichtbare Linie so klar und bewusst überschritten hatte. Überrascht stellte er fest, dass er keinerlei Gewissensbisse verspürte. Im Gegenteil, sobald er an Mahmuds erschrockenen Gesichtsausdruck dachte, empfand er eine tiefe Genugtuung. Ruhig startete er seinen Wagen und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus. Eine Viertelstunde später bog er auf den Parkplatz ein. Er wollte gerade aussteigen, als er sich an das Versprechen erinnerte, das er Ira vor zwei Tagen gegeben hatte. Dazwischen schien eine kleine Ewigkeit zu liegen. Steenhoff entschied, sich mit seinem Anliegen direkt an den Revierleiter zu wenden.
     
    Er hatte Glück. Robert Müller war sofort am Apparat. Die beiden Männer kannten sich von früher und hatten im selben Jahr bei der Polizei angefangen. Nach ein paar Sätzen kam Steenhoff sofort zur Sache. Erstaunt registrierte er, dass Müller plötzlich gereizt reagierte. «Mensch, Frank. Jetzt fängst du auch noch damit an. Meinst du eigentlich, wir haben nichts anderes zu tun, als uns um eine tote Ziege und ein paar Hasen zu kümmern? Weißt du eigentlich, mit wie viel Leuten wir hier nachts sitzen? Ich habe manchmal Mühe, die ganze Nacht lang einen Streifenwagen zu besetzen. Und dann sollen wir ein paar besoffenen Jugendlichen auflauern, die nachts dieses lächerliche Zäunchen der Jugendfarm übersteigen und rumrandalieren?»
    Müller war ehrlich empört. Vergeblich bemühte sich Steenhoff, seinem Kollegen klarzumachen, dass der oder die Unbekannten äußerst brutal vorgegangen waren und für viel Unruhe unter den jungen Besuchern gesorgt hatten.
     
    «Also, soviel ich weiß, hat erstens der Farmleiter das ziemlich unter dem Deckel gehalten, und zweitens muss ich einfach Prioritäten setzen. Oder soll ich einer Frau, die abends von ihrem Mann zusammengeschlagen wird, erzählen, dass von uns leider niemand kommen kann, weil wir einem Hasenmörder auflauern?»
    Steenhoff seufzte innerlich. Genau dasselbe hatte er vor vielen Wochen Marie erzählt.
    «Ist ja okay, Robert», beschwichtigte Steenhoff seinen Kollegen. «Aber vielleicht könnt ihr die Vorfälle ja der Pressestelle melden. Dann haben zumindest die Anwohner ein Auge auf das Gelände.»
    Der Revierleiter schnaufte aufgebracht.
    «Einen Teufel werde ich tun, Frank. Ein totes Tier beschäftigt die Leute mehr als jedes misshandelte Kind. Wir hätten nach so einer Veröffentlichung gar keine andere Wahl mehr, als uns mit diesem Mist zu beschäftigen. Nee, nee. Da lass ich schön die Finger von.»
    Einen Moment schwiegen beide Männer.
    «Warum hast du eigentlich gesagt, dass ich jetzt auch noch damit komme? Hat schon jemand anderer angerufen?», fragte Steenhoff.
    Müller lachte leise auf.
    «Allerdings, und du kennst sie sehr gut.»
    «Sie?», fragte Steenhoff irritiert.
    «Ja, deine Tochter.»
    Einen Moment war Steenhoff sprachlos.
    «Davon wusste ich nichts», sagte er.
    «Na, dann werde ich dich mal aufklären», fuhr

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