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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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war. Du bist meine Halbschwester , wollte Emily zu ihr sagen. Aber der Moment war unpassend.
    Die zweite Frau, Birdie, beäugte sie misstrauisch. Sie waren einander nie begegnet, also konnte Birdie sie unmöglich erkannt haben. Dennoch starrte sie Emily pausenlos an, so als versuche sie, ihr Gesicht einzuordnen. Möglicherweise ähnelte Emily ihrem Mann? Doch Birdie blieb Emily gegenüber distanziert. Ihr Blick war starr und gnadenlos, und Emily wand sich innerlich. Diese Frau hatte Joe Burke also ihrer Mutter vorgezogen. Emily konnte es nicht verstehen. Außerdem, wo steckte er überhaupt? Wäre er hier, hätten die Frauen ihn sicher längst geweckt. Emily betrachtete die geschlossenen Türen.
    »Wir haben eine Insel gemietet«, sagte sie, »aber wir haben den Weg nicht gefunden.«
    Das klang einfältig und unglaubwürdig. Emily war nie eine gute Lügnerin gewesen.
    »Welche Insel?«, fragte Birdie.
    »Cooke Island«, sagte Emily schnell. Sie hatte sich den Namen ausgedacht.
    »Habe ich nie von gehört«, sagte Birdie. »Und ich kenne die Gegend seit meiner Kindheit. Wahrscheinlich haben Sie sich im Hafen geirrt.«
    »Bestimmt«, sagte Kate. Sie wirkte freundlicher. Sie hatte Emily Tee und eine Decke angeboten und ein Kaminfeuer entfacht. »Hier draußen kann man leicht die Orientierung verlieren, besonders nachts.«
    Dean saß schweigend neben Emily. Sein Bein zuckte. Sie sollten die Frauen nacheinander nach draußen locken, wo Brad sie dann überwältigte. Er würde sie fesseln, alle Wertsachen und alles Geld an sich nehmen und die Beute aus dem Blue Hen. Er würde das Boot am Anleger besteigen und verschwinden. Das hatte er ihnen versprochen. Er hatte geschworen, niemanden zu verletzen. Emily war nicht so dumm, ihm zu glauben, nicht nach dem, was passiert war. Aber sie wollte Zeit gewinnen. Sobald ihr Vater auftauchte, würde sie ihm die Wahrheit beichten. Er würde sich um alles kümmern.
    »Bis zum Morgen können wir leider nichts unternehmen«, sagte Kate. »Bis dahin hat die Wetterlage sich hoffentlich beruhigt. Dann können wir Kontakt mit dem Festland aufnehmen.«
    »Wie seltsam, dass Sie bei diesem Wetter in unbekannte Gewässer aufgebrochen sind«, warf Birdie ein. »Normalerweise wartet man den Morgen ab.«
    »Rob ist praktisch auf einem Boot aufgewachsen«, sagte Emily hastig. Sie versuchte zu lächeln, wie um zu sagen: Typisch Mann, was soll man da machen ? »Er dachte, wir würden es schaffen.«
    »Wir haben das Boot gefunden, das wir gemietet haben«, sagte Dean, »und wir hatten eine Karte. Es schien machbar.«
    Dean hatte sich als Rob vorgestellt und dann geschwiegen. Sie war Anne, ihr zweiter Vorname.
    »Zeigen Sie mir die Karte«, sagte Birdie.
    Dean zuckte die Achseln.
    »Sie ist auf dem Boot, und das ist halb gesunken.« Er klang überzeugend. Emily fragte sich, wie oft er sie schon so leichthin belogen hatte. Offenbar gingen ihm die Lügen leichter über die Lippen als die Wahrheit.
    »Wir sollten nachsehen«, sagte Kate. Es blitzte und donnerte.
    »Nein, wir warten bis morgen Früh«, sagte Birdie. »Bei dem Wetter solltest du nicht draußen herumlaufen.«
    »Doch«, sagte Kate, »Rob und ich sollten uns um das Boot kümmern.«
    Emily wollte aufspringen und sie zurückhalten. Nein , wollte sie sagen, gehen Sie da nicht raus . Aber sie fürchtete, Brad könnte an der Tür stehen und lauschen.
    »Ein falsches Wort, und ich bringe euch alle um«, hatte er gezischt. Emily nahm seine Drohung sehr ernst.
    Kate sah Birdie fragend an. Diese runzelte die Stirn. Sie war ernst und misstrauisch. Emily verstand Kate; sie wusste, wie es sich anfühlte, unter einem so kritischen Blick aufzuwachsen. Diesen Blick wurde man zeitlebens nicht mehr los.
    »Nein, das ist keine gute Idee«, sagte Birdie. »Falls es gesunken ist, könnt ihr es ohnehin nicht herausziehen.«
    »Aber wir könnten es festbinden«, schlug Kate vor. Ihr Ton war forsch, sie würde sich auf keine weitere Diskussion einlassen.
    »Ist denn sonst niemand hier?«, fragte Emily plötzlich. »Jemand, der stärker ist?«
    Kate stand schon an der Tür und zog ihre Regenjacke über. Sie antwortete nicht. Kate sah Joe unglaublich ähnlich. Sie strahlte dieselbe Entschlossenheit aus, eine gelassene Zuversicht. Sie hatte sein blondes Haar und seinen Teint geerbt, wirkte wohlhabend und strahlte die gleiche Unbeschwertheit aus. Emily hatte weder Joes Aussehen noch Marthas Schönheit mitbekommen. Auf einmal überkam sie eine Schwindel erregende Eifersucht

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