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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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auf ihre Halbschwester, die Joe Burke ganz für sich allein hatte. Emily war wütend und traurig, dass sich ihre Wege auf diese Weise kreuzten. In einem anderen Leben hätten sie einander vielleicht nahegestanden, und Emily wäre kein seelisches Wrack, das auf eine Katastrophe zusteuerte.
    »Ist noch jemand auf der Insel?«, fragte Dean. Die Frage schien ihm selbst verdächtig vorzukommen, denn hastig schob er hinterher: »Ich meine, jemand, der uns helfen könnte?«
    »Nein«, sagte Kate, ohne ihn anzusehen, »hier ist niemand.«
    Kate Burke war ebenfalls eine schlechte Lügnerin. Emilys Herz hüpfte. Er war hier! Verwundert sah Kate sie an.
    »Na ja, da ist natürlich noch John Cross«, sagte Birdie zu schnell.
    »Ja«, sagte Kate. Sie schaute aus dem Fenster, als würde er draußen stehen.
    »Unser Nachbar«, erklärte Birdie. Ihre Stimme klang gepresst, nervös. »Er ist ganz schön neugierig und scheint alles zu sehen, was hier bei uns vor sich geht. Aber er ist sehr hilfsbereit. Falls wir ihn brauchen, kommt er sofort rüber.«
    Emily wusste, die alte Frau wollte ihnen weismachen, dass sie doch nicht so abgeschnitten waren, wie es den Anschein hatte. Dass sie, falls sie etwas Böses im Schilde führten, vom Mann auf der Nachbarinsel beobachtet wurden. Die Frauen hatten Angst. Kein Wunder. Mitten in der Nacht waren zwei Fremde auf ihre Insel gekommen. Wer würde sich da keine Sorgen machen? Die Frauen ahnten ja nicht, was vor sich ging.
    »Aber Sie haben doch gesagt, das Telefon funktioniere nicht?«, fragte Dean.
    »Wir können immer noch mit dem Boot übersetzen«, entgegnete Birdie. »Selbst bei diesem Wetter. Sie haben es immerhin vom Hafen bis hierher geschafft.«
    Die Spannung wurde unerträglich.
    »Tja«, sagte Kate und warf Dean einen Blick zu, »wollen wir?«
    Dean und Kate betraten die Veranda und stiegen die Treppe hinunter. Dann wurde es still. Emily wollte ihnen nachlaufen und Brad und Dean aufhalten. Aber dann blieb sie regungslos sitzen und zog die Decke fester um sich. Sie spürte Birdies Blick.
    Sie drehte sich zu der alten Frau um, die wahrlich keine Schönheit mehr war. Emily konnte sich nicht vorstellen, dass sie früher besser ausgesehen haben sollte als ihre Mutter.
    »Nun, wo er weg ist«, sagte Birdie, »können Sie mir in aller Ruhe erzählen, wer Sie sind und was Sie hier wollen.«
    Das Boot lag am Oststrand und lief voll. Es war auf die Seite gekippt, und deutlich konnte Kate das Loch im Rumpf erkennen. Offenbar hatte es einen Felsen gerammt, und nun schwankte es im Wasser hin und her.
    Sie hatte die Leinen aus dem Boot holen und am nächsten Baum befestigen wollen, aber nun musste sie einsehen, wie gefährlich und naiv das Vorhaben war. Der Wind hatte zugenommen; sie musste schreien, um den jungen Mann zu fragen, wo die Leinen lägen. Er zuckte bloß die Achseln. Es war keine gute Idee gewesen, allein mit ihm an den Strand zu gehen. Aber sie hatte das Boot sehen und herausfinden wollen, ob diese Leute die Wahrheit sagten. Das Boot lag am Strand und war tatsächlich beschädigt. Kate war erleichtert. Vielleicht waren die beiden wirklich nur ein junges, harmloses Paar, das auf ihrer Insel gestrandet war.
    Sie watete ins Wasser. Der junge Mann blieb am Ufer zurück und schaute hilflos zu. Der Wind übertönte alle Geräusche. Kate konnte nur noch seine Kapuze erkennen, sein Gesicht lag im Dunkeln. Das eisige Wasser drang in ihre Schuhe und den Stoff ihrer Hose ein. Schon schmerzten ihre Füße.
    Sie rief nach ihm, damit er beim Schieben half. Er rührte sich nicht. War er taub? Kates Herz fing zu rasen an. Sie schaute zum Gästehaus hinauf. Alles war dunkel. Hoffentlich schliefen die Mädchen bis zum Morgen durch.
    Beim nächsten Blitz wurde es taghell, und Kate sah die gesamte Insel. Donner grollte. Kate watete um das Boot herum. Warum bewegte der Kerl sich nicht? Kate wollte zu schieben anfangen, als sie den Bootsnamen entdeckte: Serendipity. Mit Schrecken fiel ihr ein, dass es Bekannten ihrer Eltern gehörte, die ein paar Inseln weiter wohnten. Nie im Leben würden diese Leute ihr Eiland – oder ihr Boot – an Fremde vermieten. Verdammt.
    Wieder zuckte ein Blitz und tauchte den Strand in gespenstisches Licht. Ein Krachen zerriss die Luft. Der Blitz hatte eingeschlagen; wo, konnte Kate nicht sagen. Rob stand nicht mehr am Strand. Kate atmete schnell und flach. Sie packte die Leinen, die am Boot festgemacht waren, und watete an Land. Vielleicht war er vor dem Gewitter davongerannt

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