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Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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jährlich Arbeit im Wert von hundertzehntausend Dollar. Alle ritten auf der Zahl herum. Mindestens drei Bekannte hatten Kate unabhängig voneinander davon berichtet.
    In Wahrheit hatte Kate so viele Pläne gehabt. Sie hatte Autorin werden wollen, und während ihrer Zeit an der NYU schrieb sie fleißig – Kurzgeschichten, Dramen, Gedichte. Sie bekam Komplimente, die Dozenten lobten ihre Versuche. Nach dem College lernte sie auf einer Dinnerparty ihrer Eltern Sebastian kennen. Joe und Birdie stritten ab, das Ganze geplant zu haben, aber sie waren entzückt, als Kate eine Beziehung mit Sebastian einging.
    Er war da schon berühmt. Sein Debütroman war von den Kritikern bejubelt worden und hatte es auf alle Bestsellerlisten geschafft. Er hatte ein Vermögen verdient und plagte sich nun mit seinem zweiten Roman ab, der mit Spannung erwartet wurde. Kate fand Sebastians neurotische Art liebenswert, und nie hätte sie gedacht, dass er ein Alkoholproblem hatte. Da sie gerade vom College kam, wo Trinken die Freizeitbeschäftigung Nummer eins war, wunderte sie sich nicht darüber, dass er jeden Abend Wein trank (in schicken Restaurants), danach Bars besuchte (dunkle, vorzugsweise im Souterrain gelegene Etablissements) und zuletzt kichernd durch die stillen Straßen zu seiner Wohnung an der Second Avenue torkelte. Manchmal fand er erst im Morgengrauen nach Hause. Er schlug Kate in seinen Bann. Sein Ehrgeiz und sein Erfolg waren wie ein Roter Riese, aufgeblasen und gefährlich instabil. Die Sterne, die in seiner Nähe strahlten, hatten keine Chance.
    Er hatte ihre Geschichten gelesen. Ganz nett, Kate. Dein Ton ist sehr zart . Was sonst hätte er zu der zehn (na ja, eigentlich zwölf) Jahre jüngeren Frau sagen sollen, die nackt neben ihm im Bett lag und an seinen Lippen hing? Sie konnte mit der Aussage wenig anfangen. Offenbar hielt er von ihrer Arbeit nicht viel, immerhin hatte er andere Autoren als kraftvoll, beeindruckend, meisterhaft oder faszinierend bezeichnet. Außerdem spürte sie instinktiv, dass sie keinen Ehrgeiz an den Tag legen, ihr Talent nicht weiterentwickeln durfte, solange sie an seiner Seite war. Sobald sie nicht mehr seine größte, treueste Anhängerin wäre, würde ihre Beziehung aus dem heiklen Gleichgewicht geraten und ins Unglück stürzen. Diesen Gedanken konnte die chronisch harmoniesüchtige Kate nicht ertragen.
    Und dann kam Chelsea, die Supernova ihres Lebens. Die Ansprüche, die Sebastian und Chelsea an sie stellten, und die Liebe, die sie ihr entgegenbrachten (und am Anfang hatten Sebastian und sie sich sehr geliebt), sorgten dafür, dass Kate sich selbst vergaß. Sie hatte den Abschluss in der Tasche, war intelligent, neugierig und talentiert und auf der Suche nach sich selbst – und konnte nichts davon ausleben.
    Ihre Eltern liebten Sebastian. Er wusste genau, wie er sie umgarnen und umschmeicheln konnte. Er gab sich so, wie sie es von ihm verlangten. Das war eines seiner vielen Talente.
    Geld hatten sie genug. Er hatte geerbt und kassierte enorme Vorschüsse für seine Bücher (wie sie nur attraktive Princeton-Absolventen einstrichen, so jung, dass ihr Talent ins Straucheln geriet). Kate verfügte über einen eigenen Fonds. Sie musste nicht arbeiten. Ihre finanzielle Zukunft war so oder so abgesichert. So erging es vielen reichen Erben, nicht wahr? Sie mussten ihren eigenen Weg finden, eigene Träume entwickeln. Sie hatten jede erdenkliche Belohnung im Voraus bekommen. In Der Schöpfer des Schönen schrieb Nathaniel Hawthorne: »Die Belohnung für jede Anstrengung muss man in seinem Innern suchen, oder man sucht vergebens.« Aber wer glaubte das noch, selbst wenn es zutraf? Wer wollte sich in einer eitlen, oberflächlichen Gesellschaft, in der nur Reichtum, Schönheit und Prominenz zählten, noch groß anstrengen?
    Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter.
    »Hey, warum so ernst?«
    Kate legte den Kopf in den Nacken und sah ihren Mann an. Er lächelte sie an, beugte sich vor und küsste sie. Kate musste an den Film Spiderman denken und an die ihrer Meinung nach romantischste Kussszene aller Zeiten. Alles floss in den Lippen zusammen, alle Leidenschaft und alles Verlangen konzentrierten sich auf den Mund und ließen den Rest des Körpers verschwinden.
    Sean zog einen Gartenstuhl heran, setzte sich und streckte die langen Beine aus. Sie schob ihre Finger zwischen seine.
    »Wirst du es ihnen diesmal sagen?«, fragte er. Die Frage kam wie aus dem Nichts, aber Kate wusste sofort, wovon er sprach.

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