Gedenke deiner Taten
getrennt. Andernfalls wird dieser Campbell den anderen beiden nachstellen. Vor allem wenn sie das Geld haben.«
ZWEIUNDZWANZIG
D ie Insel, die Insel, die Insel. Chelsea hatte davon erzählt, seit Lulu denken konnte. In Lulus Vorstellung hatte die Insel mythische Ausmaße angenommen, sie war wie ein verzaubertes Land, das allein Chelsea bereiste. Sie war wunderschön, perfekt, und Lulu wurde niemals auf die Reise eingeladen. Chelsea wollte sie ganz bewusst nicht dorthin mitnehmen, sie wollte Heart Island für sich allein haben. Und deswegen war Lulu insgeheim eifersüchtig gewesen, auch wenn sie das nie zugegeben hätte. Sie tat so, als könne sie sich nichts Öderes vorstellen als Chelseas Familienreise einmal im Jahr. Und jedes Jahr hatte Lulu vergebens auf eine Einladung gehofft.
Und nun war sie hier und konnte sich nur wundern. Die Insel war ein Fels inmitten eines kalten, grauen Sees. Klar, es gab viele alte Bäume, und die Luft war sauber. Aber die Atmosphäre war seltsam, irgendwie fühlte man sich hier einsam. Sie hatten weder einen Fernseher noch Netzempfang. Chelsea hatte einen UMTS -Stick dabei, aber die Seiten wurden so langsam geladen, dass es keinen Spaß machte. Die reinste Quälerei. Und das Schlimmste war: kein Conner Lange weit und breit.
In Wahrheit hatte Lulu sich dieses Jahr nur zu der Reise eingeladen, um ihm eins auszuwischen. Er war sauer auf sie gewesen, weil ihr Plan, bei Chelsea zu übernachten und sich aus dem Haus zu schleichen, fehlgeschlagen war. Er hatte von Lulu verlangt, Chaz sitzenzulassen und allein abzuhauen. Ältere Mitschüler feierten eine Party mit Alkohol. Lulu wollte dringend Conner sehen, sich amüsieren und kurzzeitig ihre Sorgen vergessen. Aber ohne Chelsea ging das nicht.
»Ich lasse Chelsea nicht im Stich«, hatte sie ihm geschrieben, »wann lernst du das endlich?«
»Alles klar. Bis irgendwann mal«, hatte er geantwortet.
In dem Augenblick war Chelseas Mom hereingekommen, und Lulu hatte sich auf die Insel eingeladen. Sie würde Conner beweisen, wie egal er ihr war. Und es hatte funktioniert. Er hatte ihr mindestens hundertmal auf die Mailbox gesprochen. Aber nun saß sie fest. Hinzu kam, dass Bella, diese Schlampe, Conner schöne Augen machte. Er hatte es ihr selbst gesagt.
Und Chelseas Großmutter war eine echte Hexe. Die ganze Insel war ein Hindernisparcours aus Verboten: duschen höchstens fünf Minuten (Shampoo und Conditioner!), nicht nach jedem Toilettengang spülen (ekelhaft), beim Zähneputzen nicht das Wasser laufen lassen, auf den Felsen vorsichtig gehen, nicht laut rufen, auch wenn man Spaß hatte. Zum Schwimmen war es zu kalt. Und dann sollten sie und Chelsea auch noch das Abendessen kochen. Was für ein Urlaub war das bitte schön?
Chelseas Mutter hatte im Gästehaus ein Kaminfeuer entfacht. Lulu und Chelsea saßen davor, während Kate versuchte, Sean anzurufen. Chelsea stocherte immer wieder in der Glut herum, damit die Flammen nicht ausgingen, so als könnte sie damit das Unwohlsein der anderen lindern.
Kurz hatte Lulu sich besser gefühlt, als sie mit Conner telefonierte.
»Ich liebe dich«, sagte er, »komm zurück.«
»Das geht nicht«, antwortete sie, »wir sitzen hier fest.«
Und da hatte er ihr von dem Flirt mit Bella erzählt. Wenn Lulu also nicht mehr für ihn da war, suchte er sich sofort Ersatz. Wollte er ihr das zu verstehen geben? Lulu spielte die Coole.
»Ach wirklich?«, sagte sie, »sie ist sexy. Du solltest dranbleiben, wie ich hörte, macht sie es mit jedem.«
»Ich will nur dich, Baby!«
Das war bestimmt gelogen. Er war ein Wichser. Er ließ sich auf jedes heiße Mädchen ein, das sich für ihn interessierte. Alle Männer waren Wichser.
Nach einer Weile verzog Chelsea sich mit einem Buch aufs Sofa, und Lulu spürte, wie die Leere von ihr Besitz ergriff. Normalerweise fühlte sie sich in Chaz’ Nähe geborgen. Aber hier auf der Insel war Chelsea anders, distanzierter. Sie interessierte sich mehr für die Umgebung als für Lulu.
Lulu fragte sich, ob Chelsea ihre Lüge durchschaut hatte. Allein der Gedanke erfüllte sie mit Schrecken.
»Mach dir keine Sorgen, Lulu«, sagte Chelsea.
Chelsea dachte wohl, sie mache sich Gedanken um Conner und Bella. Über ihr Buch hinweg warf sie Lulu ein aufmunterndes Lächeln zu. Immerzu musste sie lesen. Lulu verstand nicht, was sie an Büchern so toll fand. So viele Wörter auf einer Seite, und alles nur erfunden. Öde!
»Ich mache mir keine Sorgen.« Sie versuchte dieselbe Show wie
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