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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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hellem Tageslichte
    Hab' ich es
anders
gesehn.«
    »Gewiß. Geschichten und Geschichte
    Wachsen und wechseln schon im Entstehn!«
     
     
Ikarus
    Immer wieder dieselbe Geschichte:
    Siege, Triumphe, Gottesgerichte.
     
    Wem jeder Sprung, auch der kühnste, geglückt,
    Der fühlt sich dem Gesetz entrückt,
    Er ist heraus aus dem Alltagstrott,
    Fliegen will er, er ist ein Gott;
    Er fällt dem Sonnengespann in die Zügel, –
    Da schmelzen dem Ikarus die Flügel,
    Er flog zu hoch, er stürzt, er fällt,
    Ein neu Spektakelstück hat die Welt,
    Eben noch zum Himmel getragen ...
    Apollo, zürnend, hat ihn erschlagen.
     
     

Ja, das möcht' ich noch erleben
     
    Eigentlich ist mir alles gleich,
    Der eine wird arm, der andre wird reich,
    Aber mit Bismarck – was wird das noch geben?
    Das mit Bismarck, das möcht' ich noch erleben.
     
    Eigentlich ist alles soso,
    Heute traurig, morgen froh,
    Frühling, Sommer, Herbst und Winter,
    Ach, es ist nicht viel dahinter.
     
    Aber mein Enkel, so viel ist richtig,
    Wird mit nächstem vorschulpflichtig,
    Und in etwa vierzehn Tagen
    Wird er eine Mappe tragen,
    Löschblätter will ich ins Heft ihm kleben –
    Ja, das möcht' ich noch erleben.
     
    Eigentlich ist alles nichts,
    Heute hält's, und morgen bricht's,
    Hin stirbt alles, ganz geringe
    Wird der Wert der ird'schen Dinge;
    Doch wie tief herabgestimmt
    Auch das Wünschen Abschied nimmt,
    Immer klingt es noch daneben:
    Ja, das möcht' ich noch erleben.
     
     
Man hat es oder hat es nicht
    Nur als Furioso nichts erstreben
    Und fechten, bis der Säbel bricht,
    Es muß sich dir von
selber
geben –
    Man hat es oder hat es nicht.
     
    Der Weg zu jedem höchsten Glücke,
    Wär' das Gedräng auch noch so dicht,
    Ist keine Beresina-Brücke –
    Man hat es oder hat es nicht.
     
    Glaub nicht, du könnt'st es
doch
erklimmen
    Und Woll'n sei höchste Kraft und Pflicht,
    Was
ist
, ist durch Vorherbestimmen –
    Man hat es oder hat es nicht.
     
     
Dreihundertmal
    Dreihundertmal hab' ich gedacht:
    Heute hast du's gut gemacht,
    Dreihundertmal durchfuhr mich das Hoffen:
    Heute hast du ins Schwarze getroffen,
    Und dreihundertmal vernahm ich den Schrei
    Des Scheibenwärters: »Es ging vorbei.«
    Schmerzlich war mir's dreihundertmal –
    Heute ist es mir egal.
     
     
Fritz Katzfuß
    Fritz Katzfuß war ein siebzehnjähr'ger Junge,
    Rothaarig, sommersprossig, etwas faul,
    Und stand in Lehre bei der Witwe Marzahn,
    Die geizig war und einen Laden hatte,
    Drin Hering, Schlackwurst, Datteln, Schweizerkäse,
    Samt Pumpernickel, Lachs und Apfelsinen
    Ein friedlich Dasein miteinander führten.
    Und auf der hohen, etwas schmalen Leiter,
    Mit ihren halb schon weggetretnen Sprossen,
    Sprang unser Katzfuß, wenn die Mädchen kamen
    Und Soda, Waschblau, Grieß, Korinthen wollten,
    Geschäftig hin und her.
    Ja, sprang er
wirklich?
    Die Wahrheit zu gestehn,
das
war die Frage.
    Die Mädchen, deren Schatz oft draußen paßte,
    Vermeinten ganz im Gegenteil, er »nöle«,
    Sei wie verbiestert und durchaus kein »Katzfuß«.
    Im Laden, wenn Frau Marzahn auf ihn passe,
    Da ging' es noch, wenn auch nicht grad' aufs beste,
    Das Schlimme käm' erst, wenn er wegen Selter-
    Und Sodawasser in den Keller müsse,
    Das sei dann manchmal gradzu zum Verzweifeln,
    Und wär' er nicht solch herzensguter Junge,
    Der nie was sage, nie zu wenig gebe,
    Ja, meistens, daß die Waagschal' überklappe,
    So wär's nicht zu beleben.
    Und nicht besser
    Klang, was die Herrin selber von ihm sagte,
    Die Witwe Marzahn. »Wo der dumme Junge
    Nur immer steckt? Hier vorne
muß
er flink sein,
    Doch soll er übern Hof und auf den Boden,
    So dauert's ewig, und ist gar Geburtstag
    Von Kaiser Wilhelm oder Sedanfeier
    Und soll der Stock' raus mit der preuß'schen Fahne
    (Mein sel'ger Marzahn war nicht für die deutsche),
    Fritz
darf nicht 'rauf – denn bis Dreiviertelstunden
    Ist ihm das Mind'ste.«
    So sprach Witwe Marzahn.
    Und kurz und gut, Fritz Katzfuß war ein Rätsel,
    Und nur das Eine war noch rätselvoller,
    Daß, wie's auch drohn und donnerwettern mochte,
    Ja, selbst wenn Blitz und Schlag zusammenfielen,
    Daß Fritz nie maulte, greinte, wütend wurde;
    Nein, unverändert blieb sein stilles Lächeln
    Und schien zu sagen: »Arme Kreaturen,
    Ihr glaubt mich dumm,
ich
bin der Überlegne.
    Kramladenlehrling!
Eure
Welt ist Kram,
    Und wenn ihr Waschblau fordert oder Stärke,
    Blaut zu, so viel ihr wollt.
Mein
Blau der Himmel.«
     
    So ging die Zeit, und Fritz war wohl schon siebzehn;
    Ein Oxhoft

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