Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Apfelwein war angekommen
    Und lag im Hof. Von da sollt's in den Keller.
    Fritz schlang ein Tau herum, und weil die Hitze
    Groß war und drückend, was er wenig liebte,
    So warf er seinen Shirting-Rock beiseite,
    Nicht recht geschickt, so daß der Kragenhängsel
    Nach unten hing. Und aus der Vordertasche
    Glitt was heraus und fiel zur Erde. Lautlos.
    Fritz merkt' es nicht. Die Witwe Marzahn aber
    Schlich sich heran und nahm ein Buch (das war es)
    Vom Boden auf und sah hinein: »Gedichte.
    Gedichte, erster Teil, von Wolfgang Goethe.«
    Zerlesen war's und schlecht und abgestoßen
    Und Zeichen eingelegt: ein Endchen Strippe,
    Briefmarkenränder, und als dritt' und letztes
    (Zu glauben kaum) ein Streifen Schlackwurstpelle,
    Die Seiten links und rechts befleckt, befettet,
    Und oben stand, nun was? stand »Mignonlieder«,
    Und Witwe Marzahn las: »Dahin, dahin
    Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.«
     
    Nun war es klar. Um so was träg und langsam,
    Um Goethe, Verse, Mignon.
    Armer Lehrling,
    Ich weiß dein Schicksal nicht, nur eines weiß ich:
    Wie dir die Lehrzeit hinging bei Frau Marzahn,
    Ging mir das
Leben
hin. Ein Band von Goethe
    Blieb mir bis heut mein bestes Wehr und Waffen,
    Und wenn die Witwe Marzahns mich gepeinigt
    Und dumme Dinger, die nach Waschblau kamen,
    Mich langsam fanden, kicherten und lachten,
    Ich lächelte, grad' so wie
du
gelächelt,
    Fritz Katzfuß, du mein Ideal, mein Vorbild.
    Der Band von Goethe gab mir Kraft und Leben,
    Vielleicht auch Dünkel ... All genau dasselbe,
    Nur andres Haar und – keine Sommersprossen.
     
     
Die Geschichte vom kleinen Ei
    (Märkisches)
     
    Die Gräfin und ihr fünfzehnjähriger Sohn,
    Auch zwei Komtessen halb erwachsen schon,
    Sie sollen fort, bis Capri, bis Sorrent,
    Und wenn zu heiß es dann vom Himmel brennt,
    Dann rasch zurück nach Schweiz und Interlaken,
    Denn mit poor Alfred hat es einen Haken:
    Er hustet – und so viel hängt an dem Jungen,
    Und wenn's das Herz nicht ist, so sind's die Lungen.
     
    An fährt die Kutsche. Vor dem Erdgeschoß
    Stehn sieben Koffer, einer ein Koloß,
    Und was von Hausgesind' das Schloß umfängt,
    Es hat voll Eifer sich herangedrängt.
    Ein alter Diener (Erbstück) in Gamaschen
    Bringt immer neue Plaids und Reisetaschen,
    Die Kammerjungfer schluchzt, der Kandidat
    Gibt für Verona seinen Reiserat
    Und mahnt ein wenig schelmisch die Komtessen,
    Das »Grab der Julia« ja nicht zu vergessen;
    Ernst aber steht am Schlag der alte Graf –
    Ob ihn der Abschied allzu schmerzlich traf?
    Er hält nicht viel von Bahn- und Gasthofstreiben,
    Ich glaube fast, ihm paßt's, zu Haus zu bleiben;
    Daneben aber tut er, was er muß:
    Er spart nicht Händedruck, nicht Abschiedskuß,
    Klappt in die Höh der Kutsche Lederdach,
    »A rivederci!« ruft er ihnen nach, –
    Er hatte sich sprachlustig mitbeschäftigt,
    Als sich die Damen für Sorrent gekräftigt.
     
    Nun sind sie fort. Im Vorflur ist es warm,
    Der Graf ergreift des Kandidaten Arm
    Und sagt, in heitrem Auf- und Niederschreiten:
    »Ja, lieber Porst, nun kommen schlimme Zeiten,
    Der Doktor hat von Ende Herbst gesprochen,
    Das gibt für Sie sehr lange Ferienwochen,
    Vielleicht
zu
lang';
ich
muß im Reichstag sein,
    Dann sitzen Sie hier mutterwindallein;
    Ich weiß nicht, ob Stillsitzen Ihnen paßt,
    Dreivierteljahr, die Länge hat die Last;
    Ich für mein Teil, ich hätte nichts dagegen,
    Wenn Sie sich ausruhn woll'n und etwas pflegen,
    Vielleicht zu Haus, in Vaters Försterei
    Mit Stadt- und Kloster-Lindow dicht dabei.«
     
    »Verzeihn, Herr Graf, indessen steht's bei
mir
,
    Trotz Elternhaus, ich bleib' am liebsten hier;
    Ich hab' hier meine Bücher, meine Sachen,
    Will, wenn es sein kann, meinen Doktor machen;
    Hab' auch Verkehr hier, alt' und junge Leute,
    Den Pastor morgen und den Lehrer heute,
    Kann mit dem Gärtner pflanzen und begießen,
    Kann mit dem Jäger einen Hasen schießen,
    Und kommt's zum Schlimmsten, geh' ich in den Krug,
    Bestell' ein Seidel mir und rede klug,
    Wie man's so tut, von Rüben und von Raps, –
    Der Krüger freilich ist halb Taps, halb Flaps,
    Allein die Frau, die geht, die kann ich leiden,
    Ist jedenfalls die Klügre von den beiden,
    Ein bißchen
nach
sich, sparsam und genau,
    Doch immerhin 'ne nette märk'sche Frau.«
     
    »Nun, lieber Porst, mir recht. Und 's wird schon gehn –
    Nur immer 'n bißchen nach dem Rechten sehn;
    Und wenn im Reichstag mal ein Ruhtag ist,
    So komm' ich, und wir haben unsern Whist;
    Man muß sich schließlich auch

Weitere Kostenlose Bücher