Gedichte (Ausgabe 1898)
Macht der höheren Elemente!
Nun ist die erste Woche dahin,
Verändert schon fühl' ich Herz und Sinn,
Und eh' eine zweite Woche vergangen,
Ist es nahzu vorbei mit meinem Bangen;
Mummenschanz alles und Fastnachtsorden,
Selbst der rote Hut ist mir komisch geworden,
Ob aus Rom oder Frankfurt – ich seh' in Ruh'
Jetzt lieber dem Paukenschläger zu,
Der kränklich und mürrisch und doch begeistert
Auch Becken noch und Triangel meistert;
Zu Schemen ist plötzlich alles verschwommen,
Ich bin wieder zu mir selbst gekommen,
Und während mir Scheuheit und Demut entschlummern,
Zähl' ich mich zu den »besseren Nummern«.
Aber wir lassen es andere machen
Ein Chinese ('s sind schon an 200 Jahr)
In Frankreich auf einem Hofball war.
Und die einen frugen ihn: ob er das kenne?
Und die andern frugen ihn: wie man es nenne?
»Wir nennen es tanzen«, sprach er mit Lachen,
»Aber wir lassen es
andere
machen.«
Und dieses Wort seit langer Frist,
Mir immer in Erinnerung ist.
Ich seh' das Rennen, ich seh' das Jagen,
Und wenn mich die Menschen umdrängen und fragen:
»Was tust du nicht mit? Warum stehst du beiseit'?«
So sag ich: »Alles hat seine Zeit.
Auch die Jagd nach dem Glück. All derlei Sachen,
Ich lasse sie längst durch andere machen.«
König Karl der Zweite von Engelland
König Karl der Zweite von Engelland
Bei Mit- und Nachwelt in Ungunst stand;
In jedem Geschichtsbuch ist zu lesen,
Er sei durchaus vom Übel gewesen
Und habe das denkbar Schlimmste verbrochen:
Nie was Kluges getan, nie was Dummes gesprochen.
Ach König Karl von Engelland,
Einen kenn' ich, der hebt für dich die Hand,
Einen kenn' ich, der sich zu sagen erdreistet,
Du hast das denkbar Größte geleistet.
Denn immer zu tun, was klug und weise,
Wie sehr ich diese Kunst auch preise,
Sie muß ihr Auge doch niederschlagen
Vor der höheren Kunst, nie was Dummes zu sagen.
Contenti estote
Tieck, jung noch, kam zum alten Reil.
»Herr Geheimrat, ich leide schon eine Weil',
Eigentlich hab' ich immer gelitten-
Ich möchte mir Ihren Rat erbitten.«
»›Nun, lassen Sie hören, lieber Tieck,
Vielleicht Migräne, vielleicht Kolik?
Sie schütteln den Kopf. Vielleicht was am Herzen
Oder an der Leber? Haben Sie Schmerzen?‹«
»Nicht eigentlich das. Wohl mal, daß es sticht,
Aber wirkliche Schmerzen hab' ich nicht.«
»›Sehr erfreulich. Und wenn ich's damit nicht traf,
Wie steht's mit der Hauptsach'? Wie steht's mit dem Schlaf?‹«
»In
dem
Punkt zähl' ich mich zu den Gesunden,
Ich schlafe doch mindestens meine neun Stunden.«
»›Vortrefflich. So bleibt uns als letztes Gebiet
Nur noch die Verdauung; wie ist der Apptit?‹«
»Auch damit geht es; ich kann nicht klagen,
Ja, ich glaube, mein Bestes ist der Magen;
Oft wenn ich erschöpft bin – mit Freunden bei Tische,
Gleich hab' ich wieder die volle Frische.«
Da lachte boshaft der alte Reil.
»›Lieber Tieck, mit Ihnen hat es nicht Eil',
Appetit und Schlaf und keine Schmerzen,
Da danken andere Gott im Herzen,
Ihre Krankheit ist nichts als ein krankhaft Verlangen,
Es ist Ihnen immer zu gut gegangen,
Ein bißchen mehr Sorge bei schmalerem Brote,
Das
fehlt Ihnen, Freund. Contenti estote.‹«
In memoriam Nicolai
Verhaßt ist mir alle Philisterei,
Weiß mich auch leidlich davon frei,
Nur den unbedingten Begeisterungsschritt
In Sachen der Kunst, den mach' ich nicht mit, –
Hab' ich's zu kalt oder hab' ich's zu heiß,
So fühl ich: auch Kunst hat ihren Preis.
Italien ... das Auge wird mir hell..
Bellin, Giorgione, Raffael,
Aber wenn ich durch schreckensvolle Nächte
Gekämpft mit dem Heerwurm höllischer Mächte,
Kann ich am Morgen, um anzubeten,
Nicht weihevoll vor die »Assunta« treten,
Dann schweigen in mir alle höh'ren Register,
Nicolai werd' ich und Urphilister,
Und tiefer als in das Grab des Busento
Versinkt mir das ganze Cinquecento.
Verzeiht
Verzeiht den Anekdotenkram
Und daß niemals ich einen »Anlauf« nahm,
Auch niemals mit den Göttern grollte,
Nicht mal den Staat verbessern wollte,
Nicht mal mit »sexuellen Problemen«
Gelegenheit nahm mich zu benehmen.
Der
faßt es so,
der
anders an,
Man muß nur wollen, was man kann,
Mir würde der Weitsprung nicht gelingen,
So blieb ich denn bei den näheren Dingen,
Drei Schritt bloß – – ich weiß, es ist nicht viel,
Aber Freude gibt jedes erreichte Ziel.
Geschichtschreibung
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