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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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drei. Blond-nordisch ihr Haar,
    Keiner über dreißig Jahr,
    An die Brüstung jetzt sind sie herangetreten,
    Hoch heben sie langsam ihre Trompeten,
    Und die Luren, so lang' in Tod gebunden,
    Haben aufs neue Leben gefunden.
     
    Es fallen die Schwerter, es klappen die Schilde,
    Walküren jagen, es jagt Brunhilde,
    Von der Toten hochaufgetürmtem Wall
    Aufwärts geht es nach Walhall.
     
    Und nun verklingt es; die Köpfe geneigt,
    Lauscht noch alles, als alles schon schweigt.
    Draußen am Eingang, groß und gesperrt,
    Las ich noch einmal:
Luren-Konzert
.
Fire, but don't hurt the flag!
     
    Konsul Cunningham, an die dreißig Jahr
    Ist er im Amt schon in Tulcahuar.
     
    Ein chilenischer Tag heut; stahlblau die Luft,
    Von Westen her weht es wie Meeresduft,
    Und auf Cunninghams Hause, leis und lind,
    Englands Flagge spielt im Wind.
     
    Jetzt aber, ein Windstoß setzt eben ein,
    Klingt's die Straße herauf wie von Lärmen und Schrei'n,
    Soldaten und Volk (»ist der Teufel los?«)
    Und inmitten des Haufens ein brit'scher Matros.
     
    An schwillt das Gelärm, und als näher es kam,
    Auf die Straße hinaus tritt Cunningham,
    Engländer der Alte, von Kopf zu Zeh,
    Glatt, rosig, sein spärliches Haar wie Schnee,
    Dazu, nach britischem Brauch und Geschmack,
    In weißem Gilet und schwarzem Frack.
     
    Trommeln wirbeln, die Pfeife gellt,
    Und als der Zug vor dem Hause jetzt hält,
    Der Matrose tritt vor: »Herr, bin in Not,
    Erbarmt Euch, sie schleppen mich in den Tod,
    Chilenisch Volk, es klagt mich an,
    Ich
sei der Mörder,
ich
hätt' es getan;
    Ein andrer führte Stoß und Stich,
    Unschuldig bin ich, rettet mich!«
     
    Ein Murmeln, ein Murren. Noch hält der Hauf,
    Konsul Cunnigham steigt auf das Flachdach hinauf,
    Auf dem Flachdach oben, leis und lind,
    Englands Flagge spielt im Wind;
    Die
läßt er herab jetzt – um Schulter und Frack
    Schlingt er ruhig-bedächtig den Union-Jack,
    Dann wieder treppabwärts: »Nun laßt uns gehn.
    Ich will dich begleiten. Wir wollen sehn.«
     
    Und draußen, auf dem Hügel von Sand,
    In des Todes Aug' der Matrose stand,
    Peloton tritt vor, schon schlagen sie an,
    Da, über den verlorenen Mann
    Wirft der Konsul das Flaggtuch: »Nun schieße, wer mag;
    Fire, but don't hurt the flag!«
     
    Da senken die Gewehre sich still,
    Keiner, der es wagen will.
     
    Wann kommt auch für uns der goldne Tag:
    Fire, but don't hurt the flag!
     
     
Die Balinesenfrauen auf Lombok
    Unerhört,
    Auf Lombok hat man sich empört,
    Auf der Insel Lombok die Balinesen
    Sind mit Mynheer unzufrieden gewesen.
     
    Und die Mynheers faßt ein Zürnen und Schaudern,
    »Aus mit dem Brand, ohne Zögern und Zaudern,«
    Und allerlei Volk, verkracht, verdorben,
    Wird von Mynheer angeworben,
    Allerlei Leute mit Mausergewehren
    Sollen die Balinesen bekehren.
    Vorwärts, ohne Sinn und Plan,
    Aber auch planlos wird es getan,
    Hinterlader arbeitete gut,
    Und die Männer liegen in ihrem Blut.
     
    Die Männer. Aber groß anzuschaun
    Sind da noch sechzig stolze Fraun,
    All eingeschlossen zu Wehr und Trutz
    In eines Buddha-Tempels Schutz.
    Reichgekleidet, goldgeschmückt,
    Ihr jüngstes Kind an die Brust gedrückt,
    Hochaufgericht't eine jede stand,
    Den Feind im Auge, den Dolch in der Hand.
     
    Die Kugeln durchschlagen Trepp' und Dach,
    »Wozu hier noch warten, feig und schwach?«
    Und die Türen auf und hinab ins Tal,
    Hoch ihr Kind und hoch den Stahl
    (Am Griffe funkelt der Edelstein),
    So stürzen sie sich in des Feindes Reihn.
    Die Hälfte fällt tot, die Hälfte fällt wund,
    Aber jede will sterben zu dieser Stund,
    Und die Letzten, in stolzer Todeslust,
    Stoßen den Dolch sich in die Brust.
     
    Mynheer derweilen, in seinem Kontor,
    Malt sich christlich Kulturelles vor.
     
     
Auf der Kuppe der Müggelberge
    (Semnonen-Vision)
     
    Über den Müggelsee setzt mich der Ferge.
    Nun erklettr' ich die Müggelberge,
    Mir zu Häupten rauschen die Kronen
    Wie zu Zeiten der
Semnonen
,
    Unsrer Urahnen, die hier im Eichwaldsschatten
    Ihre Gottheitsstätten hatten.
     
    Und die Spree hinauf, an Buchten und Seen,
    Seh' ich wieder ihre Lager stehn,
    Wie damals beim Aufbruch. Tausende ziehn
    Hin über die Dahme ... Der Vollmond schien.
     
    Am Eierhäuschen hebt es an:
    Eine Vorhut, etliche dreißig Mann,
    Ein Bardentrupp folgt von Friedrichshagen,
    Wo noch jetzt Nachkommen die Harfe schlagen,
    Bei Kiekemal und bei Kiekebusch
    Blasen Hörner den Abschiedstusch;
    Auf Flößen kommen andre geschwommen,
    Haben den Weg bis Schmöckwitz

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