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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sinnt im Tower,
    Vergittert ist sein Fenster, Erz die Tür,
    Als sie sich schloß, schloß sich für ihn das Leben,
    Wenn sie sich öffnet, öffnet sie der Tod.
    Ihm lacht kein Gnadenstrahl; Tyrannenhaß
    Hat ihm auf Hochverrat das Wort gedeutet:
    »Der Menschen Recht war vor dem Recht der Stuarts,
    Und Kön'ge sind
von
Gott, nicht selber – Gott.«
     
    Die Nacht ist da. Mitleidig durch die Scheiben
    Blickt nur der Mond, und nur der Stunde Schlag
    (Trotz bietend dem Verbot des Kerkermeisters)
    Ruft dem Gefangnen zu: noch lebt die Zeit!
    Sir Walter aber, auf die weiße Hand
    – Blauadrig längst von Sorg' und Last der Jahre –
    Stützt er sein Haupt, und hastig weiter spürend
    Auf oft betretner Fährte des Gedankens,
    Vergißt er, traumverloren, Zeit und Welt;
    Er steigt ins eigne Herz hinab und schreibt:
     
    Willkommen mir, zu scheiden
    Von Leben und von Welt,
    Mag keinen Gast beneiden,
    Den's hier zurücke hält:
    Arm sind des Lebens Feste,
    Rings abgestandner Wein –
    Das Höchste und das Beste
    Wie niedrig und wie klein!
     
    Des Hofes Glanz und Schimmer
    Blinkt nur wie faules Holz,
    Die Kirche lebt vom Flimmer
    Und wird vor Demut stolz;
    Des Reichen Opferbringen,
    Des Mut'gen Märtyrtum,
    Der Quell, daraus sie springen,
    Heißt Sucht nach Ehr' und Ruhm.
     
    Des Klugen Witz verschwendet
    Der Worte viel – um nichts;
    Die Weisheit wird geblendet
    Vom Glanz des eignen Lichts;
    Selbst du, des Weltgewimmels
    Gepriesenste, o Kunst,
    Es zeugt dich statt des Himmels
    Die Mode und die Gunst.
     
    Der
Glauben
ist veraltet,
    Die
Lieb'
ist eitel Lust,
    Ergebung
kniet und faltet
    Nur, weil es heißt: »Du mußt!«
    Die
Treu'
ging längst verloren
    In Schein und Lug und Trug,
    Das
Glück
wird blind geboren;
    Ich hab' des Spiels genug.
     
    Willkommen mir, zu scheiden
    Von Leben und von Welt,
    Mag keinen Gast beneiden,
    Den's hier zurücke hält:
    Wem's Leben viel gegeben,
    Dem gab es Müh und Not,
    Der Tod nur ist das Leben,
    Und alles Leben – Tod.
     
    Sir Walter schrieb's; ein seltsam Testament,
    Mehr eine Beichte als ein letzter Wille.
    Da – während noch der gleichgesinnte Spruch
    ›Die Welt ist eitel‹ durch das Herz ihm klingt –
    Erfaßt ihn jener Spottgeist, der es liebt,
    In Widerspruch uns mit uns selbst zu bringen,
    Der neben unsre Demut, unsren Glauben
    Als immer fert'ges Fragezeichen tritt
    Und, wo voll Mitgefühls wir weinen wollen,
    Uns höhnisch zuruft: »Tor, so lache doch!«
    Der
Geist erfaßt ihn – und Sir Walters Auge
    Hinzwingend auf den Demantring am Finger,
    Durchstreicht er ihm die Weisheit dieser Stunde
    Und gibt des Lebens Torheit ihm zurück.
    Sein Aug' wird hell, Sir Walter sieht nur eins:
    Den Sonnentag, der diesen Ring ihm brachte.
     
    Zu Windsor war's, inmitten Waldeslust,
    Durchs Eichenlaub floß goldne Mittagssonne,
    Und wo die Jagd all ihre Schätze häufte,
    Wo hundertfach der Hirsch im Blute lag,
    Im Aug' des Rehs die Todesträne blinkte
    Und wo der wilde Eber, nun so zahm,
    Der Furchen keine mehr im Erdreich riß,
    Da wuchs – als hätt' samt seinen Jagdgesell'n
    Sich Robin Hood ins Riedgras hin gelagert –
    Auf grünem Plan ein Festmahl aus der Erde:
    Mit duft'gem Moose war der Tisch gedeckt,
    Am Jagdspieß briet das Rundstück und der Ziemer,
    Vom nahen Hügel sprudelte der Quell,
    Daneben aber, selber schier ein Hügel,
    Lag für die durstigsten der durst'gen Kehlen
    Ein Stückfaß goldnen Weines, Vögel sangen,
    Nichts fehlte, nur der königliche Gast.
    Da scholl ein Horn, und sieh, in raschem Jagen,
    Gestrüpp und dichtes Farnkraut leicht durchbrechend,
    Erschien auf hohem Roß die hohe Frau,
    Und jetzt, voll Kraft sich aus dem Sattel schwingend,
    Berührte schon ihr Schleppenkleid den Boden,
    Da stutzte sie – des Waldgrunds Feuchte lag,
    Ein schwarzer Spiegel, schillernd ihr zu Füßen.
    Sie stutzte; wohl! doch Augenblicke nur:
    Denn pfeilgeschwind, herab zum Teppichdienste,
    Flog Ritter Raleighs goldgestickter Mantel,
    Und lächelnd nieder trat Elisabeth.
     
    Das war ein Tag! Noch die Erinnrung dran
    Gießt Lebenslust durch des Gefangnen Adern.
    Er
will
nicht sterben; schmeichlerische Träume
    Rückspiegeln ihm die Großtat manchen Tags,
    Und seines Klägers Unrecht gegenüber
    Anklammernd sich an seines
Ruhmes Recht
,
    Springt er jetzt auf und ruft: »Versuch es, Stuart!
    Schwer wiegt dein Haß, doch schwerer mein Verdienst.
    Irland stand auf – mein Degen warf es nieder;
    Cadix bot Trotz – ich brach den Trotz im Sturm,
    Und als des finstren Philipps

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