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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Riesenflotte,
    Wie Goliath prahlend, vor Alt-England trat,
    Da barg
mein
Schiff die auserwählte Schleuder –
    Gott gab die Kraft, ich aber schwang den Stein.«
     
    Sir Walter spricht's; die Enge seines Kerkers
    Mit raschem Schritt durchmessend, preßt er jetzt
    – Als such' er Kühlung für die heiße Stirn –
    Sein fiebrig Haupt an seines Fensters Gitter,
    Und jetzt, durch trübes Scheibenglas hindurch,
    Nachblickend der zerrißnen Wolken Zug,
    Fährt plötzlich er zurück: ins Glas gekritzelt
    Steht »Essex« und ein Sterbekreuz darunter.
     
    Seltsames Spiel! Dieselben Wände sind's,
    Drin einst – wie er, verklagt auf Tod und Leben –
    Sein Nebenbuhler saß, zugleich sein
Opfer
,
    Und siehe da! durchs Herz ihm, das noch eben,
    Gefälschter
Schuld und Klage gegenüber,
    Von Ruhmes-Recht geträumt, gehn jetzt die Schauer
    Wahrhaft'ger
, unauslöschbar-tiefer Schuld.
    Er zittert, und als scheu zum zweiten Male
    Sein Aug' er jetzt erhebt, da sind's des Grafen
    Schriftzüge nicht, nein, Züge des Gesichts,
    Und eine Grabesstimme ruft ihm zu:
    »Irland stand auf – gleich
dir
, ich warf es nieder,
    Cadix bot Trotz – ich nahm's im Sturm, wie
du
;
    All meine Schuld, nicht größer als die deine,
    War königlicher Gunst verzognes Kind.
    Doch
fiel mein Haupt, horch auf, es mußte fallen,
    Denn sieh, als leise schon das Wörtchen ›Gnade‹
    Den Weg vom Herzen auf die Lippe nahm,
    Erschlug die Tücke meines Nebenbuhlers
    Das süße Wort – und als der Herrin Huld
    Auch da noch schwankte, meinen ›Tod‹ zu schreiben,
    Da führte
wer
die Hand? Sir Walter,
du
!
    Vernimm: die
alte
Schuld deckt nun die neue;
    Bereite dich, du zahlst sie mit dem Tod.«
     
    Die Stimme schwieg; der Morgen kam – die Zelle
    War öd' und leer. Doch auf dem Gras des Hofes
    Lag Tau der Nacht und Walter Raleighs Blut.
     
     

Lady Essex
     
    (Fragment)
     
1.
    In England wüten zwei Tyrannen:
    Der König Jakob und die Pest,
    Und jener immer rafft von dannen,
    Was diese noch am Leben läßt.
    Im Staube liegt die heil'ge Sache
    Des Volks und bettelt vor dem Thron,
    Schon aber weben Haß und Rache
    Dein Siegeskleid – Revolution.
    Schon atmet Cromwell, schon allnachtens
    Tritt Englands Zukunft vor ihn hin
    Und legt die Keime künft'gen Trachtens
    In seinen ruhmbegier'gen Sinn,
    Schon graut der Tag, nur noch ein kurzes,
    So steigt die Sonne blutigrot,
    Doch für die Zeichen nahnden Sturzes
    Ist jede Stuart-Seele tot.
    An Jakobs Hof drückt ihren Stempel
    Die Lust noch auf jedwede Stirn,
    Noch ist sein Schloß ein Bacchustempel,
    Die Flasche gilt, es gilt die Dirn,
    Und rast die Pest, ein jedes Opfer
    Scheint nur zu rufen: ›Frisch gelebt!
    Wer weiß es, ob der Tod den Klopfer
    Nicht bald an
deiner
Türe hebt.‹
    Es ist, als ob das nahe Sterben
    Dem Leben voll're Reize leiht,
    Man jagt in Lust darum zu werben,
    Genuß
ist Losungswort der Zeit.
     
    Bei Hof ist Ball. Sieh, scheint nicht eben
    Die Schönheit selbst daher zu schweben?
    Wer anders kann sie sein, die Schlanke,
    Zu der, wenn sie vorüberrauscht,
    Ein jeder Sinn sich und Gedanke
    Hinneiget und gefangen lauscht.
    An ihrer Schönheit stumpft der Hohn;
    Mehr als ein König auf dem Thron,
    Wenn seine Blicke zornig irren,
    Vermag
ihr
Auge zu verwirren,
    Das bloße Flattern ihrer Locken
    Macht schon des Höflings Zunge stocken,
    Und selbst der Neid, auf den sie späht,
    Bewundert ihre Majestät.
     
    Was ist's, das bis ins tiefste Herze
    Die Welt bei Hofe selbst durchbebt,
    Wenn anmutvoll, in leichtem Scherze,
    Die
Lady Essex
näherschwebt?
    Ist's jener Tugend hoher Geist,
    Der selbst die Spötter schweigen heißt
    Und Ehrfurcht auch von
dem
ertrotzt,
    Der schier von allen Lastern strotzt?
    Wie, oder ist es nur ein Grauen,
    Das sich in alle Herzen bahnt,
    Weil man die finstren Mächte ahnt,
    Die hier im Busen Hütten bauen?
    Das ist's. Ein Ahnen flüstert leis:
    All dieser Stolz ist Ätna-Eis,
    Ist Lüge, die zu leugnen strebt
    Die Lavaglut, die drunter lebt.
2.
     
    Der Herbst ist da. Die Lust, zu jagen,
    Lockt aus der Stadt nach Windsor-Schloß,
    Und jetzt, vorbei an Heck' und Hagen,
    Bricht Jakob und sein Jägertroß.
    Welch Leben das! Die Rosse schäumen,
    Die Meute klafft, die Pfeife gellt,
    Der Wald erwacht aus seinen Träumen
    Und schauert, wenn ein Opfer fällt.
    Schon dunkelt's. Doch das Blutvergeuden
    Es dauert fort bis in die Nacht,
    Bis Dürsten nach des Mahles Freuden
    Dem Durst nach Blut ein Ende macht.
     
    Heim ruft das Horn. Bald in den Räumen
    Des Schlosses lärmt

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