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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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erlaben,
    Da lockt sie schon auf ihren Schoß
    Den blonden Edelknaben.
     
    Sie streicht sein Haar, sie küßt so heiß
    Die Lippen ihm und Wangen,
    Die aber sind heut kalt wie Eis
    Und atmen kein Verlangen.
     
    Sie flüstert: »Lieber Knabe mein,
    Halt fester mich in Armen,
    Wir wollen eins zur Stunde sein,
    Das wird dein Herz erwarmen.«
     
    Er aber spricht: »Mag heute nicht
    Fest herzen dich und pressen,
    Ich hatt' zur Nacht ein Traumgesicht,
    Das kann ich nicht vergessen:
     
    Es trat der König vor mich hin,
    Als ich dich wollte küssen;
    Mir ist so bang, lieb' Königin,
    Als würd' ich sterben müssen ...«
     
    »So
stirb
, du buhlerischer Tor!« Herr Darnley ruft's dazwischen,
    Es fegt im Nu sein Zornesblick die Gäste von den Tischen,
    »Stirb denn und dank's im Tode mir, daß ich mit guter Klinge
    Zu deinem bösen Bubenlied das letzte Verslein singe.«
    Es packt den Sänger Todesangst: in namenlosem Leide
    Hält fest er, wie ein zitternd Kind, sich an Marias Kleide,
    Die tritt, halb Furcht halb Zorn im Blick, hervor, ihn zu bewahren,
    Umsonst, schon ist des Königs Schwert ihm durch die Brust gefahren.
    Es hält, die lange Nacht hindurch, Maria Totenwache,
    Zum ersten Mal durchzieht ihr Herz der heiße Wunsch nach Rache;
    Die Morgensonne sah den Schwur auf ihrer Lippe beben –
    Herr Darnley hat des Sängers Tod bezahlt mit seinem Leben.
     
3. Maria und Bothwell
     
    König Darnley liegt erschlagen,
    Graf Bothwell hat es getan;
    Sechs Lords von Schottland tragen
    Die Leiche nach Sankt Alban,
    Sie stellen bei Fackelscheine
    Den Sarg an den Altar hin –
    Von Trauernden fehlt nur
eine
,
    Maria, die Königin.
     
    Die sitzet daheim im Schlosse,
    In funkelnder Nische des Saals,
    Auf dem Sammetpfühl ihr Genosse
    Ist der Mörder ihres Gemahls;
    Dem Lande kleidet die Trauer,
    Der Königin kleidet die Lust,
    Kalt-heiße Wonneschauer
    Durchrieseln ihre Brust.
     
    Sie spricht verlockenden Schalles:
    »Nun komm und küsse dich rot,
    Ich danke dir alles, alles,
    Mein Leben und –
seinen
Tod;
    O schau nicht so fragend und bange,
    Schau lieber wie sonst mich an,
    Leg ab die blasse Wange –
    Getan ist, was getan.«
     
    Die Kerzen brennen wie lüstern
    Und geben schwülen Hauch,
    Immer leiser wird das Flüstern,
    Nun schweigt das Flüstern auch,
    Ihr Atem lodert zusammen,
    Wie Glut und Glut sich mischt,
    Bis mählich in Flackerflammen
    So Lust wie Licht erlischt.
     
    Still wird's; nur Mondeslichter
    Durchhuschen noch bleich den Saal,
    Es schlummern, wie Totengesichter,
    Graf Bothwell und sein Gemahl.
    Sie schlummern; des Windes Weise
    Erstirbt im hohen Kamin,
    An den Wänden, hastig-leise,
    Schatten vorüberfliehn.
     
    Und hastiger wird ihr Treiben,
    Schon graut und dämmert der Tag,
    Da schlägt's an die klirrenden Scheiben
    Wie flatternder Flügelschlag;
    Auf fahren die zwei vom Kissen,
    Verstört an Haar und Sinn;
    Im Traume ward wach ihr Gewissen,
    Und es murmelt die Königin:
     
    »Hilf, Himmel, ich sah die Meinen
    Landflüchtig, der Zügel beraubt,
    Der fallenden Krone des einen
    Nach rollte sein fallendes Haupt,
    Und wie Donner durch meine Seele
    Ging zürnend das alte Lied:
    Ich räch' alle Schuld und Fehle
    Bis in das vierte Glied.
«
     
    Maria hat es gesprochen,
    Graf Bothwell hört es kaum,
    Seine Schläfe pulsen und pochen,
    Er denkt an den eigenen Traum,
    Er spricht unter Starren und Stocken:
    »Sie grüßte, dann betete sie,
    Ab schnitt ihr der Henker die Locken –
    Ach,
deine
Locken, Marie.«
     
    Graf Bothwell hat es gesprochen,
    Maria hört ihn kaum,
    Ihre Schläfe pulsen und pochen,
    Sie denkt an den eigenen Traum,
    Stumm blicken die Buhlergatten
    Sich an so blaß, so bang –
    König Darnleys blutiger Schatten
    Schreitet den Saal entlang.
     
     
4. Der sterbende Douglas
    (Schlacht bei Langside. 1568)
     
    Die Heere stießen aneinander; der Tag ist heiß, der Himmel finster,
    Vom Hufschlag dröhnt weithin die Heide, rot tropft der Tau vom schwarzen Ginster;
    Es blickt die schottische Maria von nahen Schlosses Fensterbrüstung,
    Ihr Auge haftet auf dem Kampfe, doch in dem Kampf auf
einer
Rüstung.
     
    Dem jungen Douglas folgt ihr Auge; sie fühlt ihr Herze höher schlagen,
    Er ist's, der sechzehnjährige Knabe, der aus dem Kerker sie getragen,
    Er ist's, der ihr ein Heer geworben, und durfte doch um
eins nicht
werben,
    Drum wirbt er jetzt um seinen Frieden und um das Glück, für sie zu sterben.
     
    Wen tragen aus dem Kampfgetümmel sie dort auf zweiggeflochtner Bahre,
    Das Antlitz weiß,

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