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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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fein-verstrickt,
    Und wenn ich morgen zu Hofe ging',
    So hätt' ich dich heute zuletzt erblickt.«
     
    »Und doch, und doch – sonst reut es dich noch!
    Laß satteln! ich will ja mit dir gehn
    Und will bei Hofe, so Tag wie Nacht,
    Meinem lieben Herrn zur Seite stehn.«
     
    »Halt ein, halt ein, liebe Lady mein,
    Es ist zu spät, ich bin nicht blind,
    Der Vogel hat Recht, und mein Herz hat Recht,
    Und fechten muß ich für Weib und Kind – –
     
    Tritt her, tritt her, mein Knappe jung,
    Und schaue mich an und horche wohl auf,
    Zu Richard Norton muß dieser Brief,
    Noch eh' vorüber des Tages Lauf.
     
    Empfiehl mich dem Squire und sag' ihm das Wort:
    Die Stunde sei da, und wir seien bereit,
    Und wenn er noch Richard Norton wär',
    So müss' er kommen zu dieser Zeit.«
     
    Der Percy sprach's, der Knappe brach auf,
    Eine Weile er ging, eine Weile er lief,
    Und eh' die Sonne hernieder war,
    Da hatte der Squire des Grafen Brief.
     
    Er las voll Ernst, er las zweimal,
    Seine Söhne sahen ihn fragend an,
    Und als er las zum dritten Mal,
    Eine Trän' ihm über das Antlitz rann.
     
    »Sag' an, sag' an, Christopher, mein Sohn,
    Dein junges Herz hat braven Mut,
    Graf Percy ziehet in bösen Streit,
    Was sollen wir tun, welch Rat ist gut?«
     
    »Und soll ich raten, so rat' ich frei:
    Graf Percy ist ein edler Lord,
    Und was es immer uns bringen mag,
    Wir müssen ihm halten unser Wort.«
     
    »Hab' Dank, hab' Dank, Christopher, mein Sohn.
    Dein Rat ist gut, Gott schenk' ihm Gedeihn,
    Und kommen wir mit dem Leben davon,
    So soll dir's nicht vergessen sein.
     
    Was aber sprecht ihr, ihr andern acht?
    Sagt ja, sagt nein, ich laß es geschehn.«
    Da sprachen sieben: »Wie's kommen mag,
    Wir wollen zu unserm Vater stehn.«
     
    »Habt Dank, habt Dank, meine Kinder brav,
    Unser sächsisch Blut, ihr haltet es rein,
    Und ob ich leben, ob sterben mag,
    Eures Vaters Segen soll mit euch sein.
     
    Doch was sagst du, Franz Norton, mein Sohn,
    Mein Ältester du und mein Erbe dazu!
    Ich seh' was brüten in deiner Brust;
    Deine Brüder sprachen, so sprich auch du.«
     
    »Und soll ich sprechen, lieb Vater mein:
    Dein Bart ist grau, dein Haupt ist weiß;
    Setz' nicht an faulen, schimpflichen Kampf
    Deiner siebzig Jahre ehrlichen Preis.«
     
    »Halt ein, Franz Norton! der Schimpf ist dein!
    Mein Sohn, mein Sohn, wer hat dich betört?
    Als Kind auf deines Vaters Knien,
    Da hab' ich dich andre Sprache gelehrt.« –
     
    Der Alte rief's. – Vor Tagesschein
    Brachen sie auf mit Mann und Roß,
    Und ehe die Sonne in Mittag stand,
    Hielten sie schon vor des Percy Schloß.
     
    Bald auch die Nevils kamen heran,
    Die stolzen Grafen von Westmorland,
    Und – eh' die Sonne zu Rüste ging,
    Sie dreizehntausend beisammen fand.
     
    Das Nevil-Banner, zum ersten dann
    Im Morgenwinde ward es entrollt;
    Sein Zeichen war ein silberner Stier,
    Der trug eine blinkende Kette von Gold.
     
    Die Percys ließen zum zweiten dann
    Ihren schimmernden Halbmond flattern und wehn;
    Die Nortons aber führten ein Kreuz,
    Dran waren die Wunden des Heilands zu sehn.
     
    Sie zogen ins Feld, und sie jagten wie Spreu
    Der Königin Volk übers Clifford-Moor;
    Siebenhundert retteten sich aufs Schloß –
    Bald aber lagen die Grafen davor.
     
    Sie griffen an am kommenden Tag,
    Und am dritten Tage da glückte der Sturm:
    Die Percys nahmen den Felsenwall,
    Die Nortons nahmen den Backsteinturm.
     
    Ihre Banner wehten von Schloß zu Schloß,
    Bleicher Schrecken lief gen London hin,
    Da aber ward der Schrecken zu Wut
    Im Herzen unsrer Königin.
     
    Sie rief: »Wohlan denn, Blut um Blut!
    Sie sollen ernten, was sie gesät,
    Und das Beil mag beugen ihren Kopf,
    Der so trotzig auf ihren Hälsen steht.«
     
    Sie musterte dreißigtausend Mann,
    Die führte der höfische Warwick-Graf,
    Und am elften Tag, am Humber-Strom,
    Da war es, wo er die Grafen traf.
     
    Er rief hinüber, voll Spott und Hohn:
    »Nun Nevil-Stier, stürm' an in Wut,
    Nun Percy-Mond, geh' auf, geh' auf,
    Nun Norton, sieh, was dein Heiland tut.«
     
    Der Nevil-Stier und das Norton-Kreuz,
    Wohl täten sie hoch in Lüften wehn,
    Der Percy-Mond, wohl ging er auf,
    Doch er ging nur auf, um unterzugehn.
     
    Graf Percy floh gen Schottland hin,
    Graf Nevil floh weit über die See,
    Die Nortons aber wollten nicht fliehn,
    Sprach jeder: »Ich falle, wo ich steh'.«
     
    Sie fielen nicht, nicht Vater, nicht Sohn,
    Und litten doch alle blutigen Tod;
    Vergebens war seine Locke so weiß,
    Vergebens war ihre Wange so

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