Gedrillt
ihr Scheißabteilungsleiter ihm vorzujammern habt?« Dicky stand nun und hielt sich an der Lehne des Stuhls fest, auf dem er gesessen hatte wie ein Angeklagter vor Gericht. Verwirrt sagte er: »Ich habe bloß gesagt, das heißt bestätigt … Ich habe Sir Percy nicht mehr gesagt als Ihnen … daß …«
»Daß Bernard es deichseln könnte? Ja, stimmt. Aber warum kommen Sie dann hier rein und tun so, als wären Sie nicht schon über meinen Kopf gegangen?« Die Fliege erschien, flog eine Runde und ging dann in Warteposition über Stowes Schädel.
»Ich versichere Ihnen, die Idee, Bernard zu schicken, kam nicht von mir«, sagte Dicky empört. Stowe lächelte grimmig. Das war es also. Dieses Treffen war also eigens zu dem Zweck anberaumt worden, einen Streit im Department auszutragen, und es war jetzt klar, daß es bei dem Krach nicht wirklich um die Frage ging, wer zu einem Geheimtreffen mit einer KGBDelegation geschickt werden sollte. Dieser mit nackten Fäusten ausgetragene Kampf sollte Dickys tollkühnen Vorstoß auf Stowes Territorium zurückschlagen. Mein Pech, daß ich der stumpfe Gegenstand sein sollte, den sich Stowe ausgesucht hatte, um damit Dicky über den Schädel zu hauen. Auf englische Art war Dickys Stimme, als er wütend wurde, leiser geworden. Jetzt begann er eine komplizierte Erklärung, bei der er jedes Wort sorgfältig wog. Dicky war so beleidigt, daß ich mich fragte, ob er nicht vielleicht die Wahrheit sagte. Das würde dann heißen, daß der Deputy meine Rückberufung arrangiert hatte und, um die Tatsache vor Stowe zu verbergen, behauptete, das sei auf Dickys Wunsch geschehen. Ich war entschlossen, mich aus diesem Streit herauszuhalten.
»Kann ich in mein Büro zurückkehren?« fragte ich. »Ich erwarte einen wichtigen Anruf.« Stowe gab mit der Hand ein Zeichen, das meiner Absicht, das Zimmer zu verlassen, Zustimmung signalisieren, doch auch etwas, das Dicky sagte, zurückweisen mochte. Vielleicht war auch die Fliege damit gemeint. Als ich das Zimmer verließ, überlagerten Stowes Worte Dickys, und Dicky sagte: »Also sehen Sie mal, Gus, ich gebe Ihnen feierlich mein Wort, daß von Bernard nicht die Rede war …«, und dann setzte er sich wieder, als bliebe er noch lange dort. Mit einem Seufzer der Erleichterung trat ich in den Korridor hinaus. Die Fliege kam mit.
An diesem Abend war ich sehr froh, in mein kleines Haus in der Balaklava Road zurückzukehren. Bislang hatte ich für dieses enge und unbequeme Vororthaus nicht viel Zuneigung empfunden, aber nach meinem kalten und einsamen Bett in Berlin erschien es mir als Paradies. Meine unerwartete Ankunft am Abend zuvor zählte nicht. Heute sollte ich gebührend daheim willkommen geheißen werden.
Die Kinder hatten ein buntes Transparent gemalt: »Willkommen daheim, Papa«, und es hing jetzt über dem Kamin, in dem ein echtes Feuer flackerte. Obwohl ich zur Hälfte Berliner war, wußte ich angesichts eines Kohlefeuers doch die vielen kleinen Freuden der Heimkehr zu schätzen. Meine wunderbare Gloria hatte ein wirklich zauberhaftes Essen zubereitet, so gut, wie es das Restaurant um die Ecke nicht hätte besser machen können. Sie hatte eine Flasche Bollinger gekühlt, und ich saß in unserem ordentlichen kleinen Vorderzimmer, die Kinder hockten auf dem Teppich und verlangten, von meinen Abenteuern in Berlin zu hören. Gloria hatte ihnen nur gesagt, daß ich dienstlich unterwegs sei. Nach ein paar auf leeren Magen genossenen Gläsern Champagner erfand ich eine verwickelte Geschichte über das Aufspüren einer Diebesbande und machte die Geschichte unwahrscheinlich genug, mein Publikum zum Lachen zu bringen.
Die Art und Weise, in der die Kinder heranreiften, überraschte mich von Mal zu Mal mehr. Bei ihren Ideen und Späßen – zum größten Teil verhältnismäßig erwachsen und weltklug – brach kindliches Vergnügen durch. Da wurde plötzlich ein albernes Spiel, eine Schatzsuche oder ein Kinderlied verlangt. Ich hatte Glück, bei ihnen zu sein und zu sehen, wie sie heranwuchsen. Welches mißverstandene patriotische Pflichtgefühl hatte bloß Fiona bewegt, anderswo zu sein? Waren etwa die Prioritäten, die sie setzte, verbindlich nur für das Bürgertum? Ich war unter Jungens aufgewachsen, die alle der Arbeiterklasse angehörten und aus Gemeinschaften kamen, in der keine Loyalität wichtiger war als die zur Familie. Fiona hatte mich und die Kinder in ihre moralischen Verpflichtungen eingespannt. Sie hatte uns gezwungen, zu ihrem Opfer beizutragen.
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