Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
hätte. Stowe trug einen dreiteiligen grauen Anzug aus einem seltsam gewebten Stoff, eine formlos gestrickte Krawatte und hohe Stiefel mit Reißverschlüssen an den Schäften. Alle seine Kleider sahen aus, als kämen sie aus dem Fundus eines schon vor langer Zeit bankrott gegangenen Provinztheaters. Sogar seine Armbanduhr war von ungewöhnlicher trapezoider Form, das Glas so braun verfärbt, daß er sich das Handgelenk bis dicht vor die Augen führen mußte, um nach der Zeit zu sehen. Um auf seine Uhr zu sehen, hatte er die schwere Schildpattbrille abgenommen. Die modische Brille paßte eigentlich nicht zu Stowe. Eigentlich hätte er kleine, goldgeränderte Augengläser tragen sollen, mit verbogenem Gestell, das vielleicht mit einem Stück fleischfarbenem Heftpflaster geflickt war. Diese Brille war teuer und modern, und nachdem er auf die Uhr gesehen hatte, schwang er sie, als wollte er darauf hinweisen. »Bernard kann auch gut Russisch«, sagte Dicky.
»Die werden alle Englisch sprechen«, sagte Stowe und sah noch einmal auf seine Uhr.
»Nicht untereinander«, sagte Dicky. »Bernard wird verstehen, was sie miteinander reden.«
»Hmm«, sagte Stowe. »Wie spät ist es?« Er drehte am Schräubchen, um die Zeiger zu verstellen.
»Zehn Uhr zweiundfünfzig«, sagte Dicky.
»Sie sind nicht bevollmächtigt, irgendwelche Zugeständnisse zu machen«, belehrte mich Stowe feierlich. »Hören Sie sich an, was diese Ganoven zu sagen haben. Wenn Sie meinen, daß es alles Quatsch ist, kommen Sie zurück und sagen es uns. Aber lassen Sie sich auf nichts ein. Und kommen Sie sofort zurück. Keine Dampferfahrten auf der blauen Donau und kein Heuriger in Grinzing, verstanden?«
Selbst Stowe konnte der Versuchung nicht widerstehen, uns wissen zu lassen, daß er Wien kannte.
»Natürlich«, sagte Dicky. Die Fliege brummte jetzt um Dicky herum. Dicky ließ sich nicht anmerken, daß er sie bemerkte, und sie flog weg.
»Und schließlich will ich nicht, daß irgendwelche von Ihren verdammten Yankee-Freunden in die Sache verwickelt werden«, sagte Stowe, öffnete einen Aktendeckel und blätterte die Seiten um. Dicky sah mich an und lächelte flüchtig. Ich merkte nun, daß Dicky sich von Stowe weniger eingeschüchtert als vielmehr aus der Fassung gebracht fühlte. Er wußte nicht, ob er ihm im gleichen vulgären Ton antworten oder ihn mit Höflichkeit und guten Manieren auf Distanz halten sollte.
»Wie sollten sie darin verwickelt werden?« fragte Dicky. Stowe blickte in seine Notizen. Die Fliege landete auf einer Seite und spazierte frech quer über den Titel. »Sie werden sich an jeden von unseren Leuten hängen, der in Wien auftaucht. Und zwar sofort.« Mit überraschender Geschwindigkeit schoß seine Hand vor. Seine Finger krümmten und schlossen sich fest um die Fliege, doch als er sie wieder öffnete, war da keine Fliege. »Meinen Sie, Gus?« fragte Dicky.
Er lächelte listig. »Da bin ich verdammt sicher. Ich habe mit den Yanks in Korea zusammengearbeitet. Im CorpsHauptquartier. Ich weiß, wie die sind.« Er wischte sich die Hand am Hosenbein ab, als ob die Reste der Fliege daran geklebt hätten. Vielleicht juckte sie.
»Wie sind sie denn?« fragte Dicky, pflichtschuldig das Stichwort liefernd, auf das Stowe wartete.
Stowe sah Dicky an und schniefte in der verächtlichen Art des geübten Vortragsredners. »Es gehört zu den Eigenarten des durchschnittlichen Amerikaners, als Aspekt seiner Geschichte, daß er von Natur aus neugierig ist, aufgrund seiner Erziehung sich zu helfen weiß und seine Erfahrungen anwenden kann«, sagte Stowe. »Mit anderen Worten: Yanks sind Leute, die dauernd die Nase in anderer Leute Angelegenheiten stecken, verdammt störende Bastarde, die man sich vom Leibe halten muß.« Er griff vergeblich nach der Fliege und winkte ihr zornig nach, als sie wegflog. »Und ich will nicht, daß einer von euch großen Verschwendern mit dunkler Brille im Wiener Hilton aufkreuzt und den Mann an der Rezeption fragt, ob sie da einen Nachtsafe und Telexanschluß haben. Kapiert?« Dicky, der Luxus auf Spesen ohnedies mehr im Imperial zu suchen geneigt war, nickte beifällig.
Stowe muß mir am Gesicht angesehen haben, daß Dicky mir über das, was zur Debatte stand, nicht viel gesagt hatte. Tatsächlich hatte er mir nichts gesagt. Stowe sagte:»Sie fahren zu einem Geheimtreffen mit Leuten von der anderen Seite.« Angesichts meines verständnislosen Blicks fügte er hinzu: »Ich meine Russkis. Fragen Sie nicht, wen oder wie oder wo,

Weitere Kostenlose Bücher