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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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schuldig. Seine Firma sagte, sie müsse Anzeige erstatten, schon um die übrigen Angestellten von solchen Machenschaften abzuschrecken. Sie haben natürlich recht, und er weiß das. Ich habe ihn gestern besucht.«
»Im Gefängnis?« Ich reichte Hoffmann den Umschlag zurück.
»Ja, in Graz. Ich sagte für ihn vor Gericht aus. Ich bezeugte, er sei ehrlich und anständig, aber der Beweislage nach war er ein Dieb.«
»Er muß sich gefreut haben, Sie zu sehen«, sagte ich.
»Ich verkaufe jetzt auch seine Sammlung. Er ist völlig pleite. Die Rechtsanwälte haben ihm den letzten Pfennig genommen. Er verkauft alles.« Hoffmann steckte den Umschlag wieder in die Tasche.
»Macht Sie das nicht nervös, eine solche Wertsache so mit sich herumzuschleppen?«
»Nervös? Nein.«
»Wie lautete das Urteil?«
»Mein Kunde?« Er sprach durch den Mund voll Rumbiskuit.
»Der Versicherungsmann.«
Er nahm sich die Zeit, seinen Kuchen hinunterzuschlucken, und trank dann etwas Tee. »Fünf Jahre. Ich habe ihm ein Farbfoto dieses Umschlags gebracht.« Er klopfte auf seine Tasche. »Und der Gefängnisdirektor hat ihm eine Sondererlaubnis gegeben, das Bild in seiner Zelle zu haben.« Hoffmann nippte an seinem Glas. »Der Witz ist, daß ich inzwischen geneigt bin, das Ding für eine Fälschung zu halten. In welchem Fall es wertlos wäre.« Er lachte auf seinen Teller hinab, als versuche er zu widerstehen, aß aber schließlich den Rest des Kuchens.
»Wußten Sie das von Anfang an?«
»Nicht mit Sicherheit.« Er wischte sich die Lippen ab.
»Sie hatten aber den Verdacht?«
»Ich habe den Umschlag unter ultraviolettes Licht gelegt. Man kann nicht vorsichtig genug sein. Dann habe ich ihn einem gezeigt, der Bescheid weiß. Ich bin noch immer nicht sicher, was ich davon halten soll.« Er trank noch etwas Tee. »Sind Sie sicher, daß Sie nicht ein Sahnetörtchen wollen? Sie sind köstlich hier, federleicht.«
»Nein, danke.«
»Das ist eine Schwäche von mir«, gestand er. Er hatte die Kugel verzehrt, aber einen großen Klacks Schlagsahne am Tellerrand liegen lassen. »Nicht mal einen Apfelstrudel?« »Nein.«
»Sie gehen also auf die Auktion und bieten für die Partie Nr. 584.
Die sollte ungefähr um zehn Uhr vormittags dran sein, aber gehen Sie sicherheitshalber ein bißchen früher hin.« Ich sah ihn an. Das waren also meine Instruktionen: Die Londoner Zentrale hatte mich zum Kaufen hierher geschickt. »Bezahlen Sie bar. Der Artikel wird auf 1000 Schilling geschätzt. Ich werde Ihnen dreitausend Schilling geben, das sollte reichen. Fahren Sie dann damit nach Wien, und melden Sie sich bei von Staiger. Von dem Baron haben Sie doch schon gehört?«
»Nein«, sagte ich.
Er sah überrascht aus. »Sie werden ihm nicht persönlich begegnen, aber dort liegen Instruktionen für Sie.« Er gab mir eine Visitenkarte. Der Aufdruck nannte nur Staigers Namen und Titel und die Berufsbezeichnung »Anlageberater«. In winziger Handschrift war mit Bleistift eine Wiener Adresse dazugesetzt. Das Führen von Adelstiteln war in Österreich verboten, aber wie viele andere schien auch Staiger das Verbot nicht ernstzunehmen.
Aus der Gesäßtasche zog Hoffmann sein Geldbündel und zählte mir die österreichischen Banknoten hin. Dazu legte er einen kleinen Quittungsvordruck, wie man sie in Schreibwarengeschäften kaufen kann. »Unterschreiben Sie bitte hier«, sagte er.
Ich quittierte den Empfang des Geldes. »Sie werden also morgen nicht bei der Versteigerung sein?«
»Leider nicht. Ich fahre heute abend noch nach München.« Er lächelte, als er sich von der Lesbarkeit meiner Unterschrift überzeugte und die Quittung in seine Brieftasche steckte. »Wenn Sie bieten, zeigen Sie eine von den numerierten Karten. Setzen Sie sich möglichst in die erste Reihe, wo der Auktionator Sie sehen kann, und dann wird niemand anders im Saal wissen, daß Sie bieten. Ihren Artikel können Sie etwa fünf Minuten, nachdem Sie ihn gekauft haben, abholen. Wenn Sie bar bezahlen, brauchen Sie keine Referenzen zu geben oder sich auszuweisen.«
»Werde ich Sie wiedertreffen?«
»Ich glaube nicht«, sagte er. Er winkte mit dem Löffel.
»Haben Sie mir sonst noch etwas mitzuteilen?«
»Nein«, sagte er. »Von jetzt an leitet Baron Staiger die Operation.« Er schaufelte den großen Klacks Schlagsahne auf seine Kuchengabel und schob ihn sich in den Mund. Ein Ausdruck reiner Seligkeit lag auf seinem Gesicht, während er sich die Schlagsahne auf der Zunge zergehen ließ und endlich schluckte. »Sie haben

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