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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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setzte er sich hin und schrieb sie hintereinander weg auf. Und, wissen Sie, dabei ließ er seine Frau über ihre Teegesellschaften schwatzen und hakte immer wieder nach: ›Und was hast du darauf geantwortet?‹ und ›Was hat sie da zu dir gesagt?‹ Und die ganze Zeit schrieb er an der Partitur eines Requiems oder einer Oper oder eines Streichquartetts und beteiligte sich gleichzeitig an der Unterhaltung. Wie finden Sie das?«
»Kann nicht einfach gewesen sein«, sagte ich nachfühlend. »Ich sehe, daß Sie sich wieder in Ihren Katalog vertiefen wollen. Ich weiß, daß da irgend so eine große Briefmarkensammlerbörse hier im Hotel läuft. Aber ich habe Sie eigentlich nie für einen Briefmarkensammler gehalten, Bernie.«
Ich versuchte, nicht gleich zu reagieren. Langsam hob ich meine Augen zu seinen und sagte: »Ich sammle Luftpostumschläge.« Er lächelte.
»Sie erkennen mich nicht wieder, stimmt’s, Bernie?« Ich versuchte, sein Gesicht in irgendeinen Zusammenhang zu bringen, erkannte ihn aber trotzdem nicht.
»Nein«, sagte ich.
»Na ja, warum sollten Sie auch. Aber ich erinnere mich, Sie gesehen zu haben, als ich noch mit Peter Underlet im gleichen Büro saß, und dann ist Underlet nach Djakarta, und ich bin nach Bonn, wo ich dann für Joe Brody gearbeitet habe. Mein Gott, Bernie. Haben Sie das vergessen?«
»Nein«, log ich, obwohl ich’s vergessen hatte. Dieser Mann war ein Fremder für mich.
»Auf Urlaub, was?«
»Ich hatte noch ein paar freie Tage.«
»Und da sind Sie nach Salzburg. Na klar, scheiß auf die Sonne. Hier sollte man hinfahren, wenn man dem ganzen Laden wirklich mal den Rücken kehren will. Sind Sie …«, er hielt inne und fügte dann diskret hinzu, »… mit irgend jemand zusammen?«
»Mutterseelenallein«, sagte ich.
»Ich wünschte, wir könnten zusammen essen«, sagte der Mann bedauernd. »Aber ich muß heute abend in Wien zurück sein. Und morgen fliege ich nach Washington, D.C.«
»Schade«, sagte ich.
»Ich mußte aber einfach diese Wallfahrt machen«, sagte er. »Es gibt Sachen, die man einfach machen muß. Wissen Sie, was ich meine?«
»Ja«, sagte ich.
»Und viel Glück beim Briefmarkensammeln. Was sagten Sie noch, sei Ihr Spezialgebiet … Zeppelinpost?«
»Ja«, antwortete ich, aber natürlich hatte ich ihm das nicht erzählt. Ich hatte nur von Luftpost gesprochen. Er winkte und ging durch die Türen zurück in die Halle. Wenn Joe Brody ihn mit dem Auftrag geschickt hatte, mich in Unruhe zu versetzen, hatte er den ziemlich hervorragend ausgeführt. Ich schloß den Katalog und setzte meine Betrachtung der Festung Hohensalzburg am jenseitigen Ufer des Flusses fort. Was ich brauchte, war, mal richtig von Herzen lachen zu können. Vielleicht sollte ich nach einem steifen Drink zur anderen Seite rüberspazieren, die Drahtseilbahn zur Festung hinauf nehmen und mich ein bißchen in der Folterkammer umsehen.

8
    Ich aß nicht im Hotel zu Abend. In der Nähe des Mozartdenkmals fand ich ein entzückendes kleines Lokal, vielleicht war es auch in der Nähe des Papageno-Brunnens oder des Mozart-Fußsteigs. Ich hörte ein Akkordeon eine muntere Fassung des ›Einsamen Geißhirten‹ spielen und ging rein. Das Gastzimmer war dunkel getäfelt, rotweißkarierte Tischtücher lagen auf den Tischen. Es war fast leer. An den Wänden hingen polierte Kupferkannen sowie die Marionetten, mit denen man Mozarts Opern in dem weltberühmten Marionettentheater aufgeführt hatte. Vielleicht waren es auch nur Nachahmungen aus Plastik. Der Kellner empfahl mir eindringlich das panierte Schweineschnitzel, aber, wie mich schon meine Mutter lehrte, man soll nie einem Mann in Lederhosen trauen. Ich brauchte mehrere Gläser des salzburgischen Weizenbiers, um mich von dem Schnitzel zu erholen. Die Akkordeonmusik kam vom Band. Ich kam spät ins Hotel zurück. Überall waren Männer: Sie standen im Foyer herum, andere tranken feierlich in der Hotelbar, und alle musterten einander mißtrauisch. Ich wußte, daß sie Briefmarkenhändler waren, denn ich bemerkte wohl die schwerfällige Ernsthaftigkeit, die so oft, wenn Männer sich um ihrer Geschäfte willen versammeln, den ersten Abend bestimmt. Selbst die harten Trinker waren still. Eine Gruppe in der Nähe der Bar sprach das etwas gestelzte Deutsch, das sich Emigranten fern der Heimat angewöhnen. Einer sagte: »Ich weiß nicht, warum die Leute behaupten, die Österreicher seien geschäftstüchtig. Sie haben schließlich über ein Jahrhundert gebraucht, bis sie

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