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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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entdeckten, wieviel Geld sich aus Mozart herausschlagen läßt.«
    Sein Gefährte beschwichtigte ihn. Zu Recht, denn selbst seine ruhige Stimme war bis ans andere Ende des Hotels hörbar. Dann hörte man plötzlich ein lautes schiebendes und quietschendes Geräusch von der Drehtür, und zwei junge Paare betraten das Foyer des Hotels. Sie hatten leuchtenden Teint und schönes welliges Haar. Ihre Kleider waren schick und teuer, und die Frauen trugen glitzernden Schmuck, und sie alle hatten dieses aufdringliche Selbstbewußtsein, das den Reichen so oft eigen ist. Sie waren keine Briefmarkenhändler. Jeder drehte sich nach ihnen um, denn ihr plötzliches Eindringen in das düstere Hotelfoyer war so unwillkommen wie laute bunte Reklame, die im Fernsehen die sanfte Nostalgie eines alten Schwarzweiß-Films unterbricht.
    Sie mußten bemerkt haben, welche Gefühle ihr unerwartetes Erscheinen erregte, denn als sie über den Marmorboden des Foyers gingen, waren sie schon stiller und ihre Bewegungen gemessener. Der Aufzug funktionierte nicht, und so gingen sie die große Freitreppe hinauf zu ihren Zimmern. Die Augen aller Männer folgten den romantischen Erscheinungen treppauf, wo die jungen Frauen züchtig ihre langen Kleider rafften, die jungen Männer untereinander flüsterten.
    Ich sah mich nach dem geheimnisvollen Amerikaner um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Für einen Tag hatte ich genug getan. Ich ging zu Bett. Als ich den Kopf aufs Kopfkissen legte, begann eine Uhr zu schlagen, und bald stimmte eine andere ein. Die Auktion begann auf die Minute pünktlich wie fast alles in jenem Teil der Welt. Heute stand ausschließlich Zeppelin-Post auf dem Programm, angefangen mit Exemplaren der ältesten Post aus den Pionier-Luftschiffen Viktoria Luise und Schwaben. Dann kam eine Postkarte aus dem Luftschiff Deutschland mit dem roten Stempel der Luftschiffahrtsgesellschaft, und die Gebote stiegen und stiegen in den Himmel. Drei Männer waren auf die Karte erpicht, und es wurde still im Saal, während der Auktionator in seiner Zahlenlitanei fortfuhr, und seine Blicke von einer Seite zur anderen schweifen ließ. Die Gebote hörten plötzlich auf, als zwei Männer anscheinend gleichzeitig entdeckten, daß zu einem höheren Preis der Kauf sich für sie nicht mehr lohnte. Peng! schlug der Hammer, und die Reaktion war ein plötzliches Lockern gespannter Muskeln und Ausatmen angehaltener Luft. Alle schrieben den Preis in ihre Kataloge. Vergleichbare Angebote waren damit erheblich im Wert gestiegen, und das Inventar der Sammler mußte neu eingeschätzt werden. Der Raum war nicht überfüllt, aber es war ein ständiger Menschenfluß, denn dauernd kamen Spezialisten herein, die sich für ganz bestimmte Artikel interessierten, bei deren Versteigerung sie eifrig mitboten, um dann zum Kaffeetrinken in das verglaste Straßencafé zu gehen oder hinaus auf die verglaste Terrasse, um dort zu rauchen und mit den Kollegen zu schwatzen. Sie müssen an jenem Vormittag ein bißchen Verspätung aufzuholen gehabt haben, denn der Auktionator sah häufig auf seine Uhr, und überhaupt schien man alles rasch abzuwickeln. Als die Auktion im Jahr 1914 und bei den Zeppelinen der Kriegszeit anlangte, gab es eine Art Exodus, nach dem nur ein paar Dutzend Spezialisten im Saal zurückblieben. Ob dies darauf zurückzuführen war, daß die Zeugnisse des Postverkehrs während des Ersten Weltkriegs von Briefmarkensammlern vernachlässigt wurden, oder darauf, daß auf der laufenden Auktion nichts Interessantes angeboten wurde, konnte ich natürlich nicht wissen. Aber als der Auktionator die Versteigerung einer ungarischen Sammlung Graf Zeppelin-Post ankündigte, die auf Weisung des Testamentsvollstreckers des verstorbenen Sammlers angeboten wurde, war wieder fast jeder Stuhl besetzt, und manche folgten der Versteigerung hinter den Sitzreihen im Stehen.
    Ich war bereit, lange bevor der Posten 584 angeboten wurde. Vor mir auf dem Tisch lag eine große weiße Karte, auf deren nach unten gekehrter Seite eine große schwarze Nummer 12 gedruckt war. Das war meine Nummer, und als man auf Objekt 584 zu bieten begann, klappte ich die Karte auf, so daß der Auktionator sie sehen konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde traf mich sein Blick, um meine Beteiligung an der Auktion zu bestätigen, und er erhöhte das Gebot entsprechend. Hinter mir müssen ein Dutzend oder mehr Gebote ziemlich mechanisch abgegeben worden sein. Der Preis stieg und stieg, und es war schwer auszumachen,

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