Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
ergrauendes Haar, das sie nicht tönte, ihre ruhige Stimme und der Stil ihrer wollenen Kleider mit
    Blumenmustern trugen zu diesem Bild bei. Aber obwohl ich sie noch nicht lange kannte, hatte ich doch Ingrid schon als eine tapfere, starke Frau kennengelernt. Werner hatte die gleiche Entdeckung gemacht, aber nicht nur die, denn die Beziehung zwischen ihnen war eng. »Diese Frau war wieder hier«, sagte

    - 62 -
    sie in mißbilligendem Ton zu Werner.
    »Die Duchess?«
    »Die Engländerin. Die Frau, von der du gesagt hast, daß sie gern ihre Nase in Sachen steckt, die sie nichts angehen.«
    Werner blickte mich an und grinste selbstbewußt. »Was wollte sie?«
    »Der Duchess gefällt es hier«, bemerkte ich. »Sie hofft, daß bei euch so was wie ein Club für ihre Bekannten entsteht.«
    Werners Gesicht spannte sich. Ingrid sah ihn an, während ich sprach, aber ihr Gesicht verriet keine Gemütsbewegung, spiegelte nicht mal diejenige meines Freundes. Werner sah mich an und sagte: »Ingrid glaubt, da steckt mehr dahinter.«
    »Was denn?«
    »Ich habe ihr von Frank erzählt«, sagte Werner, als erklärte das alles. Als ich darauf nicht reagierte, setzte er hinzu: »Frank will das Lokal benützen. Das ist offensichtlich.«
    »Für mich nicht, Werner«, sagte ich. »Wie denn benützen?«
    Werner goß sich noch etwas Sodawasser ein, dem er nicht mehr als einen Tropfen Underberg zusetzte, der den Inhalt des Glases nur eben färbte. Er nippte daran und sagte: »Ich glaube, Frank hat seinen Leuten befohlen, hierher zu kommen. Dann gehen sie zu ihm ins Büro und berichten jedes Wort, das sie hier gehört, und alles, was sie hier gesehen haben. Und das kommt alles zu den Akten.« Diese leichte Paranoia – und die rührende Überschätzung von Franks Strenge und Tüchtigkeit bei der Führung seiner Geschäfte – bewies einmal mehr die tiefsitzende deutsche Denkweise meines Freundes. Tatsächlich war Frank typisch englisch; faul und gefällig, war Frank ein leichtlebiger Opportunist, dem weder die Energie noch die Neigung zuzutrauen war, eine derartige Operation zu organisieren.
    Werner andererseits war provinziell und engstirnig, wozu die Deutschen neigen. Diese unterschiedlichen
    Lebenshaltungen waren die Ursache ihrer gegenseitigen

    - 63 -
    Feindschaft, aber das konnte ich keinem von beiden erklären.
    Werner wäre entsetzt gewesen. Er hielt sich nämlich für einen kosmopolitischen Liberalen. Aber dafür halten sich ja alle reichen und weitgereisten Fanatiker. »Solange sie ihre Drinks bar bezahlen …«, sagte ich.
    Dieser lockere Ton paßte Werner nicht. »Ich habe nichts dagegen, daß Franks Leute herkommen, aber ich will nicht, daß sie das Lokal in die Hand nehmen und versuchen, irgendeinen scheußlichen englischen Pub daraus zu machen. Und überhaupt, Bernie«, sagte er mit sehr ruhiger, gemessener Stimme, als spräche er mit einem kleinen Kind, »wenn du hier bist, werden sie dir nachschnüffeln.«
    Die Schwierigkeiten, die ich vielleicht gehabt hätte, Werner etwas auf diese Erklärung zu erwidern, räumte Ingrid aus der Welt. Es kam mir so vor, als hörte sie uns nicht sehr genau zu.
    Vielleicht war ihr Werners Verdacht, daß das Department vorhabe, sich in seiner Bar zu installieren, ja schon sattsam vertraut. Während einer Pause in der Unterhaltung sagte sie:
    »Und noch etwas. Ich habe sie von Bernard reden hören. Und über seine Frau.«
    Meine Frau! Meine Frau! Jetzt hatte sie meine ganze Aufmerksamkeit, und ich wollte alles haarklein erzählt haben.
    Sie sagte, die Duchess sei am frühen Abend in die Bar gekommen. Sie hatte Gin und Tonic bestellt und einen Daily Express gelesen. Werner sorgte seit kurzem dafür, daß in den hölzernen Zeitungshaltern des Hotels außer den deutschen auch französische und englische Tageszeitungen hingen. Wenig später seien zwei weitere Angehörige des Departments gekommen – ein Mann und eine Frau – und hätten die Duchess eingeladen, sich zu ihnen zu setzen.
    Nach Ingrids Beschreibungen erkannte ich die zweite Frau dieses Trios. Die Stimme, der Burberry-Schal, die Diamantbrosche in Hufeisenform – das war Pinky. Und es gab, Gott sei Dank, nur eine Pinky. Ihr Papa hatte Rennpferde,

    - 64 -
    Mutti ritt auf die Fuchsjagd, und die nächtlichen Abenteuer ihres Bruders wurden regelmäßig in den Klatschspalten berichtet. Ich weiß noch, wie sie beim Department anfing.
    Damals hatte sie sich gerade von »Bum-Bum«-Canon scheiden lassen, einem Hauptmann der Horse Guards, der ins

Weitere Kostenlose Bücher