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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Frankreich-Michelin«, sagte ich. »Wird besorgt.«
    »Ich will sehen, welche Restaurants die besten sind«, sagte

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    Lisl unschuldig. Ich fragte mich, ob sie scherzte, aber sicher sein konnte man bei ihr nie.
    Den Rest des Vormittags bummelte ich über den Ku’damm.
    Der Schnee war weg, und die Sonne schien diamantenhart. In Fetzen gerissene Wolken entblößten zackige Stücke Blau, aber unter solchen Himmeln bleibt die Temperatur immer bitterkalt.
    Sowjetische Abfangjäger durchbrachen mit ohrenzerreißendem Knall die Schallmauer, Teil einer systematischen Schikane, der dieser östlichste Vorposten des Kapitalismus ausgesetzt war.
    Nachdem ich auf der Bank gewesen war, stöberte ich in ein paar Buchhandlungen herum und landete schließlich bei Wertheim. An den Lebensmitteltheken im Keller gab es alle möglichen leckeren Kleinigkeiten. Ich trank ein Glas Bier und aß ein paar Bismarckheringe. Für eine Stunde vergaß ich die Aussicht auf die Verabredung zu einem Mittagessen, das ziemlich ungemütlich zu werden drohte. Meine Probleme verflüchtigten sich. Ringsum waren die immer fröhlichen Stimmen der Berliner. Für meine Ohren waren ihre schlechten Witze und Schimpfwörter Musik, denn in Berlin fühlte ich mich zu Hause. Ich war wieder ein Kind; wenn ich den Ku’damm entlang zurückrannte, würden meine Mutter am Herd und mein Vater am Mittagstisch auf mich da oben in dem komischen alten Haus warten, wo wir zu Hause waren.
    Die Zeit vergeht schnell, wenn man in so zufriedener Stimmung ist. Ich mußte mich schließlich beeilen, um rechtzeitig wieder bei Lisl zu sein. Als ich die Bar betrat, war da von Teacher keine Spur. Ich setzte mich und las die Zeitung.
    Um halb eins kam ein Mann herein und sah sich nach mir um, aber es war nicht Teacher. Es war der Berliner Resident, Frank Harrington. Er nahm den Hut ab. »Bernard! Wie schön, dich zu sehen.« Seine Art und die herzliche Begrüßung verrieten nichts von dem Grund für diese Änderung des Plans, und ich war sofort überzeugt, daß seine Anwesenheit irgendwas mit der rätselhaften Unterhaltung zu tun hatte, die Ingrid mit angehört

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    hatte. Vielleicht war es Franks väterliche Einstellung zu mir, die sein Benehmen so unveränderlich machte. Ich glaube, wenn ich Frank jemals damit überraschte, unerwartet auf seiner Seite des Mondes zu landen, würde das ihn nicht aus der Ruhe bringen. Lässig würde er sagen: »Bernard! Wie schön, dich zu sehen«, und mir was zu trinken anbieten oder mir sagen, daß ich mir nicht genug Bewegung verschaffte. »Ich habe gehört, du seist verreist, Frank.«
    »Nur über Nacht nach London. Ein Stück dienstlicher Trott.«
    »Natürlich.« Ich versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, was ich zu erwarten hatte, aber Franks runzliges Gesicht war so freundlich wie immer. »Ich bin heute morgen auf der Bank gewesen«, sagte ich. »Ich habe hier einen Scheck über die tausend Pfund, die du mir geliehen hast.« Ich gab ihm den Scheck. Er faltete ihn und steckte ihn in die Tasche, ohne ihn zu lesen. Er befeuchtete seine Lippen und sagte: »Glaubst du, dein Freund Werner könnte uns was zu trinken
    herbeizaubern?« Seine Stimme verriet das Gefühl, daß dies Werners Fähigkeiten übersteigen könnte oder daß Werner geneigt sein möchte, ihn daran zu hindern, was zu trinken.
    Noch im Mantel, den Hut in der Hand, sah er sich auf eine Weise im Lokal um, die fast verstohlen wirkte. Frank hatte nie viel übrig gehabt für Lisl, Werner oder das Hotel. Sein Unbehagen, hier zu sein, schien sich noch verstärkt zu haben, seitdem Werner das Hotel führte.
    »Klara«, sagte ich. Ich brauchte nicht laut zu rufen, denn die alte Frau stand schon bereit, Frank Mantel und Hut abzunehmen. »Einen doppelten Gin Tonic für meinen Gast.«
    »Plymouth Gin mit Schweppes?« sagte Klara, die
    offensichtlich besser als ich wußte, was Frank trank. Sie nahm Franks Trenchcoat, Filzhut und gerollten Regenschirm.
    »Ja, Plymouth mit Tonic«, sagte Frank. »Kein Eis.« Er setzte sich nicht gleich auf den Stuhl, den ich ihm

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    herangezogen hatte, sondern blieb gedankenverloren stehen, als könnte er sich nicht erinnern, weswegen er eigentlich mit mir sprechen wollte. Er seufzte, ehe er sich auf die mit neuem Chintz bezogene Sitzbank sinken ließ. »Ja, nur ein Stück dienstlicher Trott«, sagte er. »Und von der Sorte, auf die ich gegenwärtig von Herzen gerne verzichten würde.« Er sah müde aus. Frank war Mitte Sechzig. Das war vielleicht noch

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