Gedrillt
reichte.
Vielleicht wirkte Klaras Warnung, denn Frank spielte weiter mit seinen Rauchutensilien, zündete sich die Pfeife aber nicht an. Zuerst dachte ich, daß er in Gedanken noch ganz mit dem Mißgeschick seines Sohnes beschäftigt sei, aber es gab da noch was anderes. »Aber ich habe eine gute Nachricht für dich, Bernard«, sagte er.
»Was für eine, Frank?« sagte ich.
»Du bist frei.« Vielleicht zeigte mein Gesicht nicht die Freude, die er erwartet hatte, denn er fügte hinzu: »Frei, nach England zurückzukehren. Man hat alle Anklagepunkte gegen dich fallengelassen. Es wird kein Verfahren gegen dich geben, nicht mal ein Verhör.«
»Ich verstehe«, sagte ich.
»Ich glaube nicht, daß du verstehst, was ich dir sagen will.
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Man wird alle Anklagepunkte gegen dich fallenlassen.«
»Ich dachte, du sagtest, man habe sie schon fallenlassen.«
»Du bist aber ganz spitzfindig heute.«
»Vielleicht. Aber wie ist es nun?«
Er hustete. War das ein Zeichen von Nervosität, wie die Vernehmungsexperten es deuten würden, oder kam das von dem verdammten Pfeifentabak?
»Es sind nur noch ein paar Formalitäten zu erledigen.
Weiter nichts, das kann ich dir versichern.«
»Entweder oder«, sagte ich. »Hat London dich geschickt, mir die Pistole auf die Brust zu setzen?« Ich schaute aus dem Fenster. Der blaue Himmel war nur ein kurzes Zwischenspiel, eine Täuschung gewesen. Es hatte sich wieder bezogen und sah nach noch mehr Schnee aus oder, wenn das Thermometer stieg, Regen.
»Ach komm, Bernard. Nichts dergleichen.«
»Was für Formalitäten?«
Er klopfte mit der Pfeife auf den Tisch. »Na ja, wir möchten nicht, daß du deine Memoiren an eins von den Sonntagsblättern verkaufst.« Er lächelte, als beträfe diese Einschränkung etwas vollkommen Unerhörtes, wie mit einem Regenschirm in der Hand von der höchsten Spitze des Big Ben zu springen. »Wir wollen nicht, daß du Klage beim High Court erhebst.« Wieder ein breites Lächeln.
»Augenblick mal, Frank. Klage beim High Court? Ich könnte doch gar nicht klagen, solange ich beim Department angestellt bin.« Ich sah ihn an; er verzog keine Miene. Ich sagte: »War dieser Haftbefehl eine bizarre Methode, mich loszuwerden? Wollten sie, daß ich flüchte? Hat irgend jemand insgeheim gehofft, ich würde mich nach Osten absetzen?«
»Bei Gott, nein!« Ein Windstoß rüttelte an den Fenstern wie ein Dämon, der einzubrechen versuchte. Trotz der Doppelfenster setzte sich das Geräusch des Windes fort, leise und wogend summte er ein Klagelied.
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»Aus der Sicht des Departments würde das meinen Fall stark vereinfachen, nicht? Wenn ich in den Osten ginge, könnte ich als Überläufer bezeichnet werden … Für ihren Ruf wäre das doch eine Kleinigkeit besser, als mich vor ein englisches Gericht oder sogar vor ein Militärgericht in Berlin stellen zu müssen.«
»Bitte, Bernard. Alles, was sie verlangen, ist deine Unterschrift unter einer zusätzlichen Vereinbarung in betreff solcher Dinge wie Vertraulichkeit, Vertragstreue, Amtsgeheimnis und so fort. Formalitäten, genau wie ich gesagt habe.«
»Heißt das, daß sie mich gefeuert haben? Ist das die
›Endlösung‹ des Samson-Problems? Soll ich mundtot gemacht werden und dann mein Gnadenbrot kriegen?«
»Halt deine Pferde an, Bernard.«
»Dann sag du mir’s, Frank. Aber genau, wie es ist.«
»Sie wollen, daß du kündigst … Sie denken dabei an eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Dieses Jahr wirst du normal weiterarbeiten.«
»Abfindung? Pensionsanspruch?«
»Soll gewährt werden.«
»Ach, da erkenne ich Morgans Methoden. Ich soll also ein Jahr lang auf einen entlegenen Posten abgeschoben werden, wo nie eine Geheimsache über meinen Schreibtisch geht. Wenn ich mich benehme und den Mund halte und hundert Formulare unterschreibe, die sicherstellen, daß ich kein Wort zu irgend jemandem sagen kann ohne schlimme Folgen für mich, dann kann ich mich in die Kulissen schleichen und eine Pension kassieren. Wenn ich aber irgendwann während dieser zwölf Monate irgendwelchen Krach schlage, wird man mich ohne den sprichwörtlichen Pfennig fortjagen.«
»Diese Sachen haben immer zwei Seiten, Bernard.«
»Aber habe ich nicht recht?«
»So kann man das natürlich sehen. Ich hoffe aber, daß du
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einsiehst, daß es auch für dich das Beste ist. Man gibt dir die Möglichkeit, aus einer unmöglichen Situation
herauszukommen.«
»Die Antwort ist nein«, sagte ich.
»Augenblick,
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