Gedrillt
sich für sie nicht mehr lohnte.
Peng! schlug der Hammer, und die Reaktion war ein plötzliches Lockern gespannter Muskeln und Ausatmen angehaltener Luft. Alle schrieben den Preis in ihre Kataloge.
Vergleichbare Angebote waren damit erheblich im Wert gestiegen, und das Inventar der Sammler mußte neu eingeschätzt werden. Der Raum war nicht überfüllt, aber es war ein ständiger Menschenfluß, denn dauernd kamen Spezialisten herein, die sich für ganz bestimmte Artikel interessierten, bei deren Versteigerung sie eifrig mitboten, um dann zum Kaffeetrinken in das verglaste Straßencafé zu gehen oder hinaus auf die verglaste Terrasse, um dort zu rauchen und mit den Kollegen zu schwatzen. Sie müssen an jenem Vormittag ein bißchen Verspätung aufzuholen gehabt haben, denn der Auktionator sah häufig auf seine Uhr, und überhaupt schien man alles rasch abzuwickeln. Als die Auktion im Jahr 1914 und bei den Zeppelinen der Kriegszeit anlangte, gab es eine Art Exodus, nach dem nur ein paar Dutzend Spezialisten im Saal zurückblieben. Ob dies darauf zurückzuführen war, daß die Zeugnisse des Postverkehrs während des Ersten Weltkriegs von Briefmarkensammlern vernachlässigt wurden, oder darauf, daß auf der laufenden Auktion nichts Interessantes angeboten wurde, konnte ich natürlich nicht wissen. Aber als der Auktionator die Versteigerung einer ungarischen Sammlung Graf Zeppelin-Post ankündigte, die auf Weisung des Testamentsvollstreckers des verstorbenen Sammlers angeboten wurde, war wieder fast jeder Stuhl besetzt, und manche folgten der Versteigerung hinter den Sitzreihen im Stehen.
Ich war bereit, lange bevor der Posten 584 angeboten wurde.
Vor mir auf dem Tisch lag eine große weiße Karte, auf deren nach unten gekehrter Seite eine große schwarze Nummer 12
gedruckt war. Das war meine Nummer, und als man auf Objekt 584 zu bieten begann, klappte ich die Karte auf, so daß der
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Auktionator sie sehen konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde traf mich sein Blick, um meine Beteiligung an der Auktion zu bestätigen, und er erhöhte das Gebot entsprechend. Hinter mir müssen ein Dutzend oder mehr Gebote ziemlich mechanisch abgegeben worden sein. Der Preis stieg und stieg, und es war schwer auszumachen, inwieweit meine Karte dazu beitrug. Der Auktionator sah in die Ferne und ließ sich absichtlich nicht anmerken, aus welcher Richtung die Gebote kamen. Die Folge verlangsamte sich nun. Die erste Aufregung beim Bieten hatte sich gelegt, jetzt blieben noch die ernsthaften Interessenten.
»Eintausendneunhundert!« rief der Auktionator, und je mehr die Gesamtsumme sich erhöhte, desto größer wurden die Sprünge. Plötzlich waren wir bei den höheren Geboten. Ich klappte die Karte hoch, um dabeizubleiben, aber irgend jemand hinter mir war ebenfalls interessiert. Wir standen jetzt bei dem doppelten Schätzpreis, und die Gebote kamen noch immer.
Der Auktionator sah nicht überrascht aus. An diesem Morgen waren Sachen passiert, die er eher erstaunlich finden mochte: Artikel hatten gar nicht interessiert, andere das Drei-oder Vierfache des Schätzpreises gebracht. Ich versuchte mich zu erinnern, wieviel Geld ich in der Brieftasche hatte außer der mir von Hoffmann übergebenen Summe.
»Zweitausendfünfhundert!« Die Summe wurde jetzt jedesmal um hundert Schilling erhöht.
»Zweitausendsechshundert!« Hinter mir boten zwei andere für den verdammten Umschlag. Ich wandte mich um, sah aber keinen meiner beiden Rivalen.
»Zweitausendneunhundert!« Der Auktionator sah mich an, eine Augenbraue hochgezogen. Ich zeigte wieder meine Karte, und er hob die Augen zu jemandem im hinteren Teil des Raums. »Dreitausend …« Und noch ehe er es sagte, blickte er über meinen Kopf und fuhr gleich fort: »Drei eins …, drei zwei
…« Seine Augen kehrten zu mir zurück. Ich hielt die Karte entschlossen aufrecht, und seine Augen glitten diskret über
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mich hinweg in den Saal. »Drei drei …, drei vier …, drei fünf
…« Er war inzwischen nicht einmal mit den Augen zu mir zurückgekehrt. Anscheinend kämpften es zwei untereinander aus. Keiner von beiden schien nachzugeben. Ich drehte mich um. Ein Angestellter des Auktionshauses stand in einer Ecke des Saals am Telefon. Er hob die Hand. Es bot also ein Telefonkunde gegen mich und außerdem jemand hinten im Saal.
»Dreitausendsiebenhundert Schilling.«
Eine Art Pause erlaubte den Augen des Auktionators, zu mir zurückzukehren. »Dreitausendsiebenhundert Schilling
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