Gedrillt
irgendeine Reaktion erforderlich sei, und so sagte ich:
»Wirklich?«
»Berezowskis Buch ist 1930 erschienen und das klassische Nachschlagewerk für dieses Gebiet. Es ist neu aufgelegt worden und noch lieferbar. Ich gebe Ihnen eine Adresse, und Sie können sich eines schicken lassen. Aber ich habe hier irgendwo einen Artikel, den Dr. Max Kronstein im Januar 1970
- 126 -
im Airpost Journal veröffentlichte. Da sagt er, daß die paraguayische Post sich weigerte, die Internationalen Antwortcoupons anzuerkennen. Deshalb ist Paraguay-Post so selten. Die einzige Post mit Paraguay-Postwertzeichen kam von im Lande lebenden Ausländern.«
»Das ist hochinteressant«, sagte ich.
»Ja, nicht wahr?« Er schlug die Mappe zu und steckte einen goldenen Drehbleistift in die Tasche. »Und seitdem Sieger die Post nach Europa zehn Prozent höher ansetzt als die Post in die USA, bevorzugen unsere Kunden sie. Ich habe bei Kummer nachgesehen. Er sagt, daß nur sechzig Stücke in die USA gingen und ungefähr 180 nach Europa, obwohl ich sagen würde, daß es gerade umgekehrt ist. Natürlich kann man nie sicher sein, denn die nach Europa geschickte Post kann sehr wohl im Krieg zerstört worden sein, während Stücke in amerikanischen Sammlungen sicher waren.« Er behielt einen Finger in der blauen Mappe, als rechne er mit der Notwendigkeit, mir diese Behauptung dokumentarisch untermauern zu müssen. »Ja«, sagte ich.
»Sicher. Ich weiß. Ich darf nicht soviel darauf herumreiten.
Sie scheinen irgendwie enttäuscht zu sein. War es für Ihre Sammlung?«
»Nein, nur ein Auftrag.«
»Also nehmen Sie sich’s nicht zu Herzen, alter Junge. Da draußen ist noch ein ganzer Haufen anderer Zeppelin-Post zu haben. Stimmt’s?« Ich nickte. Er strich sich den Bart und lächelte. Die Schlange rückte vorwärts, als einige Händler mit den ersteigerten Objekten das Büro verließen. »Sagen Sie, wer war eigentlich der Typ, mit dem Sie gestern draußen auf der Terrasse waren?«
»Ein flüchtiger Bekannter«, sagte ich.
»Wie heißt er?«
»Ich habe schon versucht, mich daran zu erinnern«, sagte ich. »Ich dachte, er gehörte zu Ihnen.«
- 127 -
»Thurkettle«, half er nach. »Er sagte, sein Name sei Ronnie Thurkettle. Er ist also kein Kumpel von Ihnen?«
»Ich kenne ihn kaum.« Des Namens erinnerte ich mich nun wieder, aber das Gesicht war mir noch immer völlig fremd.
»Sagen Sie, in welcher Branche ist wohl dieser Typ?
Jedenfalls nicht im Briefmarkengeschäft. In Frankfurt ist er mir schon häufig über den Weg gelaufen, anderswo auch, aber ich habe nie rausgekriegt, was der eigentlich arbeitet.«
»Er arbeitet für das State Department«, sagte ich. »Das ist aber auch schon alles, was ich über ihn weiß.«
»Gestern hat er sich mich vorgeknöpft. Richtig zutraulich und freundlich, aber er wollte mich nur aushorchen über Zeppelin-Post. Dabei hat er keinen blassen Schimmer von Luftpost. Er erwartete, daß ich ihm den Katalog erklärte. Ich habe ihm geraten, sich ein gutes Buch über das Thema zu besorgen. Ich habe keine Lust, Leute wie ihn zu unterrichten.
Er ist nicht mein Fall. Sie wissen, was ich meine?«
»Wie hat er’s denn aufgenommen?«
»Aufgenommen? Er hat die Sache fallenlassen und das Thema gewechselt. Er ist kein Freund von mir. Auf keine Weise. Ich bin ihm nur ab und zu begegnet, als ich noch Public Relations gemacht habe. Frankfurt. Da traf ich ihn bei diesen kleinen Partys, die die Unternehmer für gewisse Besucher geben, niedliche Häppchen am Stiel und wäßrige Martinis. Sie kennen das. Ich dachte mir schon, daß er beim Staat ist.
Washington steht ihm doch regelrecht ins Gesicht geschrieben
– stimmt’s? Aber ich dachte, er wäre vielleicht irgendein Zivilist aus der Militärverwaltung.«
»Nein«, sagte ich, »State Department.«
»Ich gehe diesen Typen aus dem Weg. Mit denen kriegt man immer Ärger, und wer braucht den?« Die Schlange bewegte sich, bis wir an der Spitze standen. Ein leises Summen ertönte, und der Sicherheitsmann winkte uns, einzutreten. Im Büro des Kassierers war nicht viel Platz. Ein trübseliger
- 128 -
Angestellter schaute durch ein kleines Metallgitter. Ein Mädchen stand hinter ihm mit einem Tisch, auf dem sich philatelistische Umschläge und Karten in Plastikhüllen stapelten, und einer Kassentruhe voller Schecks und Geldscheine aller Währungen. »Johnson ist der Name.
Johnson, Bartholomew H.«, sagte mein Gefährte. »Nummer 584. Sechstausend Schilling. Ich habe ein
Weitere Kostenlose Bücher