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Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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Konto bei Ihnen.«
    Der Raum hatte einen unvertrauten Geruch, irgendwie nach Weihrauch. Vielleicht war es das Rasierwasser des Angestellten. Oder das Geld.
    Der Mann hinter dem Gitter blätterte in seinem Buch.
    »Welche Nummer?« fragte er.
    »Nummer 584.« Johnson hatte jetzt ein dickes Bündel österreichischer Banknoten in der Hand. Er ließ die gestapelten Scheine durch die Finger laufen. Es schien, als liebten alle diese Briefmarkenhändler Bargeld.
    »Da muß ein Irrtum sein«, sagte der Mann hinter dem Gitter. »Johnson, Bartholomew H. Ich habe ein Konto.
    Sechstausend Schilling. Wenn Sie Bargeld wollen, habe ich’s hier.« Er wedelte mit dem Bündel Scheine und sagte:
    »Zehntausend Schilling werde ich nicht mehr ausgeben, ehe ich heute nachmittag fliege.« Der Angestellte sagte: »Der Artikel Nummer 584 ist für sechstausendzweihundert Schilling verkauft worden. Telefonisches Gebot.«
    »No, Sir!« sagte Johnson. »Den Zuschlag habe ich gekriegt.«
    »Sie müssen sich geirrt haben«, sagte der Mann hinter dem Gitter.
    »Sie haben sich geirrt, Kumpel. Geben Sie mir jetzt endlich den Umschlag.«
    »Tut mir leid.«
    »Ich bestehe darauf. Er gehört mir! Geben Sie ihn sofort her!« Er war wütend.
    »Ich bedaure, aber er ist gar nicht mehr hier. Wurde mit

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    einer Menge anderer Sachen weggeschickt. An einen sehr bekannten Kunden.«
    »Und was bin ich?« sagte Johnson zornig.
    »Es tut mir leid, Sie enttäuschen zu müssen«, sagte er.
    »Aber leider kann ich Ihnen nicht helfen, und es warten noch viele andere Kunden draußen.«
    »Was sagen Sie dazu?« Er schrie so laut, daß der Sicherheitsmann hereinsah, aber schon ließ die Kraft seiner Empörung nach.
    »Machen wir, daß wir hier wegkommen«, sagte ich. Eine Grundregel der Leute, für die ich tätig bin, ist es, niemals mit dem Gesetz in Berührung zu kommen.
    »Sie werden noch von mir hören!« sagte Johnson zu dem Mann hinter dem Gitter.
    »Es tut mir aufrichtig leid, mein Herr.«
    Als wir wieder auf den Korridor hinauskamen, starrten uns die Leute, die Johnson schreien gehört hatten, neugierig an. Er strich sich befangen über die Vorderseite seines Anzugs und sagte: »Kommen Sie, darauf trinken wir einen.«
    »Gute Idee.«
    Er brauchte mehrere Minuten, seine Fassung
    wiederzugewinnen. Er schien wirklich ganz durcheinander zu sein. Wenn das gespielt war, hatte er einen Oscar dafür verdient. Als wir endlich an der Bar saßen, sagte er:»Was zum Teufel ist da los gewesen? Sie waren doch auch da. Sie haben gesehen, wie ich den verdammten Umschlag ersteigert habe.
    Oder fange ich an zu spinnen?«
    »Sie fangen nicht an zu spinnen«, sagte ich.
    »Haben Sie mir gesagt, wie Sie heißen?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Ich fange nicht an zu spinnen«, sagte Johnson. »Diese Österreicher spinnen. Geben Sie mir einen doppelten Scotch«, rief er dem Barmann zu. Er hob die Augen, und ich nickte.
    »Zwei doppelte Scotch.«

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    »Lassen Sie mich zahlen«, sagte ich. »Ich scheine plötzlich eine Menge Bargeld zu haben.«
    »Ich auch«, sagte er und lachte. »Ich muß hier raus, diese Leute machen mich verrückt. Soll ich Sie zum Flugplatz mitnehmen? Oder haben Sie einen Wagen?«
    »Wann?«
    »Ich nehme die Sieben-Uhr-Maschine nach Wien«, sagte er, und ich teilte ihm mit, daß mir das sehr gut passen würde. Der Whisky beruhigte ihn. Ich ließ ihn über seine Briefmarken reden, machte dazu passende Zwischenbemerkungen und dachte an andere Dinge.
    Später begleitete ich ihn nach oben. Sein Zimmer lag in der Nähe der Treppe, meins weiter denselben Korridor entlang.
    Beim Eintreten sagte er: »Ich werde ein Bad nehmen und vielleicht einen Happen essen. Treffen wir uns in der Lobby so gegen halb sechs?«
    »In Ordnung«, sagte ich.
    Dann, als er die Zimmertür hinter sich schloß, hörte ich ihn sagen: »Sieh mal einer an!«, und ich fragte mich, worauf er anspielte. Aber inzwischen hatte ich mich schon an sein aufbrausendes Temperament gewöhnt und nahm an, daß er mit sich selbst redete.
    Ich hatte noch viel Zeit. Ich fragte mich, ob ich London anrufen und ihnen sagen sollte, daß jemand anders den Umschlag gekauft hatte, beschloß aber, das noch für ein, zwei Stunden aufzuschieben. Dann würde ich schon mit einem Beamten vom Spätdienst sprechen anstatt mit Dicky oder Stowe. Ich ging ans Fenster und starrte in die regengepeitschte Straße hinab. Die Touristen waren nicht unterzukriegen. Fest eingeknöpft in ihre langen Regenmäntel aus

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