Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedrillt

Gedrillt

Titel: Gedrillt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
Gästen etwas auf dem Klavier vorspielt.
    Befriedigt verschob er weitere Bücher und Papiere, um Platz auf der Schreibtischplatte frei zu machen, wo eine Lampe mit grünem Schirm einen vollkommen runden Schein auf eine rosa Schreibunterlage warf. »Was ist passiert?« sagte Staiger.
    »Ich habe ihn nicht gekriegt«, sagte ich. Ich hatte nicht die Absicht, mit ihm über Johnsons Tod zu reden oder Thurkettle und dessen mögliche Rolle bei diesem Mord zu erwähnen.
    »Wen oder was haben Sie nicht gekriegt?« Er hatte die Arme voller Bücher.
    Aus meiner Brusttasche zog ich die Farbfotografie des Umschlags und legte sie genau in die Mitte des Lichtkreises.
    »Das«, sagte ich und strich das Bild glatt, »das habe ich nicht gekriegt.« Er legte die Bücher auf eine Anrichte und sah auf das Bild hinab. Dann, ohne ein Wort, nahm er das an der Uhr lehnende Bündel Post, blätterte es durch und entnahm ihm ein Päckchen, das mit den großen und eindrucksvoll gestalteten Etiketten eines Kurierdienstes beklebt war. Es war eine kleine

    - 148 -
    gepolsterte Versandtüte, mit Metallklammern verschlossen.
    Mit einer mühelosen Handbewegung riß er den Umschlag auf und schüttelte den Inhalt heraus.
    Auf den Tisch glitt ein blauer Umschlag mit Paraguay-Briefmarken und Zeppelinstempeln: derselbe Umschlag, der auf der Farbreproduktion abgebildet war, auf die er fiel.
    »Aber ich habe es«, sagte Staiger mit zufriedenem Lächeln.
    »Erzählen Sie?« Ich nahm den Umschlag in die Hand, der so viel Ärger bereitet und vermutlich den Tod des
    liebenswürdigen Johnson verursacht hatte. Ich drehte ihn in meinen Händen. Es schien ein so nutzloses Stück Papier zu sein – für diesen hohen Preis.
    »Ich weiß nur, was man zwischen den Zeilen lesen kann«, sagte er. »Aber ich glaube, die Amerikaner haben jemanden geschickt, der Ihnen den Umschlag wegschnappen sollte. Ich mußte mich mit einem der größten Händler in Wien in Verbindung setzen – einem alten Freund – und ihn bitten, ihn mir um jeden Preis zu besorgen.«
    »Er muß telefonisch mitgeboten haben.«
    »Es war keine Zeit mehr, noch jemanden nach Salzburg zu schicken.«
    »Der Bieter im Saal war bestochen und die Auktion manipuliert. Dieses Gebot jedenfalls.«
    »So was kommt vor«, sagte Staiger. »Ich hatte keine Ahnung, daß die Amerikaner versuchen würden, sich da einzumischen, sonst hätte ich Ihnen mehr Geld gegeben. Aber es hat schließlich doch noch geklappt. Ich sollte den Umschlag besorgen. Und ich habe ihn gekriegt.« Er hob ihn vom Tisch auf und hielt ihn gegen das Licht.
    »Ist da irgendwas drin?«
    »Gewöhnlich etwas zur Verstärkung des Umschlags, eine Karte, manchmal die Geschäftskarte eines längst vergessenen Briefmarkenhändlers.« Doch während er das sagte, nahm er aus der Schreibtischschublade einen schönen Brieföffner aus

    - 149 -
    Elfenbein und tippte ihn gegen seine Hand. »Sie wissen, daß die besten Stücke dieser Auktion aus der in den dreißiger Jahren zusammengetragenen Privatsammlung eines berühmten ungarischen Luftpost-Spezialisten namens Zoltan Szarek kamen. Szarek veröffentlichte 1935 ein Luftpost-Handbuch, das seit langem vergriffen und heute sehr gesucht ist. Diese Auktion, bei der seine Briefmarken unter den Hammer kamen, zerstörte eine der größten Sammlungen der Welt.« Er drehte den Brieföffner herum. Eine Seite barg eine kleine Federmesserklinge. Er klappte die Klinge heraus, und zu meiner Überraschung schnitt er den kostbaren Paraguay-Umschlag auf.
    Da ich nun gesehen hatte, welche Leidenschaften diese Gegenstände der Philatelie in Männern wie Staiger erregten, verblüffte mich dieser Vandalismus. Aber eine weitere Überraschung stand mir bevor, denn in dem blauen Umschlag befanden sich zwei Fotos in der Größe von Paßbildern. Die Fotos waren offensichtlich neueren Datums. Die Leute waren gealtert, seit ich sie zuletzt gesehen hatte, und die Fotos waren stumpf und ohne echte Schwarztöne, denn sie waren auf die Sorte grautoniges Fotopapier abgezogen, das man in Ländern verwendet, die sich nicht viel Silber leisten können. Er legte sie auf die Schreibtischunterlage vor mir. »Kennen Sie diese Leute?« Zwei Personen starrten mich an: ein Mann und eine Frau. Die eine war ein KGB-Agent, der sich Erich Stinnes nannte. Der Mann, dessen Bild Bower mir in Berlin gezeigt hatte. Hier posierte er steif. Die andere Person war meine Frau.
    Das war nicht alles. Die »Verstärkung« des Umschlags bildeten zwei Ausweiskarten. Sie

Weitere Kostenlose Bücher