Gedrillt
waren rosa. Beide waren auf den groben Karton gedruckt, auf dem der endlose osteuropäische amtliche Papierkrieg hauptsächlich stattfindet.
Jede der beiden Karten war ein Visum für eine bestimmte Reise. Eine Person, eine Reise, eine Einreise in die sozialistische Volksrepublik, eine Ausreise. Der
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Gummistempel war derjenige der »Statni Tajna Bezpecnost«
des Tschechoslowakischen Geheimen Sicherheitsdienstes. Eine der Karten zeigte das Foto Staigers, die andere meins.
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Die Gegend der Tschechoslowakei, an die Österreich im Norden grenzt, ist Mähren. Überraschenderweise ist das nur eine kurze Autotour von der Wiener Innenstadt. Oder wäre es gewesen, wenn wir nicht in das Haydn-Festival hineingeraten wären. Endlich an der Grenze, winkte Staiger den österreichischen Beamten nur mit seinen Papieren, und schon ließen sie uns passieren. Am Kontrollpunkt auf der Seite der CSSR freilich ging es anders zu.
Es ist dort viel los, denn der Grenzübergang liegt an der direkten Route von Wien nach Prag und weiter nach Berlin.
Hier, durch die Lücke zwischen Alpen und Karpaten, bringt der Wind von der russischen Steppe plötzliche
Temperaturstürze und beißt einen selbst durch die wärmste Kleidung bis ins Mark. Außer den Autos standen hier heute an die zwanzig schwere Sattelschlepper aus allen Ecken Europas Schlange. In ihren Kabinen hinter festgeschlossenen Fenstern dösten, schwatzten oder lasen die Fahrer und warteten geduldig darauf, daß sie an die Reihe kämen in der großen graugestrichenen Baracke, wo die Frachtbriefe und Kraftfahrzeugpapiere langsam gelesen, unaufhörlich angezweifelt und schließlich widerwillig abgestempelt wurden von uniformierten Bürokraten, Männern mit Knopfaugen, Tintenfingern und gut geölten Pistolen.
Baron Staiger alias Otto Hoffmann, der an diesem Morgen ein Toupet trug, das ihm welliges, dunkles Haar gab, hatte mich aus dem Hotel abgeholt, wo ich nach meinem Besuch bei ihm den Rest der Nacht verbracht hatte. Wir saßen in einem weißen Subaru, der wie ein Jeep und unter den hier versammelten Ostblockfahrzeugen ziemlich exotisch aussah.
Da waren schlammbespritzte Ladas, Wartburgs mit stinkenden Zweitaktmotoren, ein frischgespritztes rosa Skoda-Kabriolett sowie ein wunderbarer alter Tatraplan mit der langen Flosse,
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die die Luftkanäle zur Kühlung des Heckmotors markiert. Mit gebieterischer Rücksichtslosigkeit gegen die anderen Fahrer fuhr Staiger zur Spitze der Schlange und parkte sorglos neben der verglasten Schachtel, aus welcher ein halbes Dutzend tschechische Beamte die Landschaft mit unbeeindruckbarer Verachtung musterte.
Staiger sagte: »Warten Sie im Wagen« und ging zu dem Posten, mit dem er gleich eine lebhafte Unterhaltung begann, wobei er auf die rosa Ausweiskarten klopfte. Was immer nun das Idiom des Postens war, Staiger schien es auch zu sprechen, denn die Antwort kam warm und umgehend. Der Posten nickte Staiger zu, sah auf und winkte in Richtung eines großen grünen Wagens auf der tschechischen Seite der Grenze. Zwei Männer in Zivil liefen zu Staiger hinüber. Sie waren große, breitschultrige Männer in Trenchcoats, die Sorte Männer, die wollen, daß man ihnen ansieht, daß sie für die »Erste Abteilung« der STB arbeiten, für die effizienteste osteuropäische Geheimpolizei, deren Hauptquartier – vielleicht bezeichnenderweise – sich in einem alten Prager Kloster befindet. Der Schlagbaum wurde unverzüglich geöffnet.
»Alles okay«, sagte Staiger, als er wieder neben mir auf dem Fahrersitz Platz nahm, einen Hauch kalter Winterluft mitbringend.
»Alles okay?« gab ich zurück. »Na, das ist eine nette Abwechslung.«
»Was?«
»Dieses ganze Affentheater mit der Briefmarkenauktion …
und dann ging’s am Ende auch noch schief.«
»Das ist eine der üblichen Routen für unsere Dokumente«, sagte er selbstzufrieden. »Das Prager Büro hat sie arrangiert.
Gewöhnlich läuft das wie ein Uhrwerk.«
»Vielleicht sollte sie mal jemand darauf aufmerksam machen, daß wir schon in der Epoche der Quarzkristalle leben«, sagte ich.
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»Die Amerikaner haben gegen uns geboten. Sie haben Wind gekriegt von dem, was anstand. Die Wiener CIA hat einen Mann mit einer Tasche voll Geld geschickt.«
»Und wir gehen da anders vor«, sagte ich bitter in Erinnerung der mir so unzureichend zugeteilten Schillinge.
»Niemand kann die Amerikaner überbieten«, sagte er. »Ein Glück, daß ich die Sache so deichseln konnte.« Der
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