Gedrillt
Poster, Modelle und sogar einen großen Motor aus Kunststoff, den er dauernd auseinander nimmt und zusammensetzt.«
»War das dein Weihnachtsgeschenk?« fragte sie und bewies damit ihre bemerkenswerte Intuition. Es war Wahnsinn zu versuchen, ihr was zu verheimlichen, und trotzdem versuchte ich’s noch immer.
»Ja. Es wurde als ›pädagogisches Spielzeug‹ bezeichnet«, sagte ich. Sie lachte. Wir wußten beide, welchen Spaß wir damit hatten, daß ich den so angepriesenen Sachen nie widerstehen konnte. »Sally ist ausgewählt worden, bei einer Schüleraufführung die Portia zu spielen. Ich glaube, Billy ist ein bißchen eifersüchtig.«
Sie lächelte. »Ja, das kann ich mir denken. Billy ist der Schauspieler. Aber welche Portia? Im Kaufmann von Venedig?«
»Julius Cäsar.«
»Natürlich!«
»›Und bin ich Euer Selbst
Nur gleichsam, mit gewissen Einschränkungen?
Beim Mahl um Euch zu sein, Eu’r Bett zu teilen
Auch wohl mit Euch zu sprechen? Wohn ich denn
Nur in der Vorstadt Eurer Zuneigung?
Ist es nur das, so ist ja Portia
Des Brutus Buhle nur und nicht sein Weib.‹«
»Was für ein Gedächtnis du hast!« Fiona sagte: »Du mußt antworten:
›Ihr seid mein echtes, ehrenhaftes Weib,
So teuer mir als Purpurtropfen
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Die um mein trauernd Herz sich drängen!‹
Hast du denn Shakespeare nicht in der Schule gelernt?«
»Ich habe ihn auf deutsch gelernt«, sagte ich. Das amüsierte sie. »Ich lese eine Menge dieser Tage: Dickens, Jane Austen, Trollope, Thackeray, Shakespeare.« Irgendwo tief in meinem Inneren beunruhigte mich das. Ausschließlich englische Autoren. Der verräterische Unterton von Heimweh hätte wohl die meisten Sicherheitsleute beunruhigt. Aber das sagte ich nicht. Ich fuhr fort: »Portia wird ein entzückendes Kostüm tragen. Blau mit goldener Borte.« Sie streckte ihre Hand nach mir aus. Ich nahm sie. Ich empfand eine erstaunliche Intimität bei dieser formellen Gebärde. Ihre Hand war klein und warm, sie hatte immer warme Hände gehabt. Sie sagte: »Wie absurd, daß es so kommen mußte« und dann, eilig, wie um einem anderen Gang der Unterhaltung, den sie vermeiden wollte, zuvorzukommen, setzte sie hinzu: »Es war so schwierig für mich, Berlin zu verlassen, und dann mußte ich plötzlich an dieser Konferenz in Prag teilnehmen, und es war leicht.« Eine nicht ganz überzeugende Fröhlichkeit lag in ihrer Stimme, ein Ton, den gehört zu haben ich mich erinnerte, wenn sie versuchte, darüber zu spaßen, daß Billy die Grippe kriegte und sich seinen Geburtstag damit verdarb, oder wenn sie zornig die Autotür aufriß und den Lack zerkratzte.
»Wieviel haben sie dir erzählt?«
Ich trat zurück, um sie anzusehen. Sie war so wunderschön wie immer. Ihr Haar war glatt zurückgekämmt in dem strengen Stil, den sie sich zugelegt hatte, seitdem sie im Osten war. Sie trug ein einfaches dunkelgrünes Kostüm, das von Chanel hätte sein können, ich vermutete aber, daß eine wunderbare kleine Frau, die sie an der nächsten Ecke aufgetrieben hatte, es für sie gemacht hatte. Fiona fand immer eine »Perle«, die dann für sie machte, was sie haben wollte. Sie trug unseren Ehering am Finger. Sie sah auf unsere ineinandergelegten Hände hinab, als dächte sie daran, ihr Ehegelübde zu wiederholen. Dies war das
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hinreißende Mädchen, das ich so stolz geheiratet hatte. Aber das war hundert Jahre her, und die Wandlungen, die die vergangenen anstrengenden Jahre mit sich gebracht hatten, waren ebenfalls offenkundig. Ich konnte etwas in ihr sehen, das ich nie zuvor wahrgenommen hatte: eine Müdigkeit, oder war es Angst? Vielleicht war es das, was sie mir anfänglich hatte klein erscheinen lassen.
Sie drehte ihre Hand in meiner. Ich sagte: »Du hast deinen Verlobungsring verloren.«
»Wir werden einen neuen kaufen.« Ich sagte nichts.
»Ich arbeitete in Dresden. Ein Mann wurde getötet. Es war eine schreckliche Nacht. Ich wusch mir die Hände im Krankenrevier. Das war unachtsam von mir. Ich wendete den Wagen und fuhr zurück, aber er war nicht mehr da, und niemand hatte ihn gesehen.«
Sie verkrampfte die Hände, als wäre es eine schreckliche Folter, mir von dem verlorenen Ring zu erzählen. Aber ich konnte auch sehen, daß Fiona noch immer so unverzagt war wie eh und je. Ich wußte, daß sie ihre Furcht mit dem Willen in Schach hielt, wie eine glänzende Schauspielerin eine Rolle spielen und einen unüberzeugenden Charakter zum Leben erwecken kann. Ohne mir Zeit zum Antworten zu
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