Gedrillt
einen Augenblick aufgescheucht hatte, nahmen ihre Nahrungssuche zwischen den Steinen wieder auf. Es roch nach brennendem Unrat, vielleicht mußte auch nur der Ofen gereinigt werden.
Auf dem Dach kletterten zwei Männer herum, die beide mit starken Feldstechern ausgerüstet waren. Zwei weitere Männer
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in kurzen Ledermänteln und hohen Stiefeln saßen auf einer Bank im Hof. Die Hüte ins Gesicht gezogen, saßen sie so lässig da wie betrunkene Sonnenanbeter, aber ich erkannte die entspannte Haltung von Männern, die sich lange ruhig verhalten konnten. Und ich bemerkte die geöffneten obersten Knöpfe, die es ihnen leichtmachen würden, etwas schnell aus einem Schulterhalfter zu ziehen.
Ohne sich zu rühren, beobachteten sie uns unter halbgeschlossenen Augenlidern. Ich stieg aus und wartete auf Staiger, der den Wagen sorgfältig abschloß.
Plötzlich stürzte bellend und knurrend ein großer schwarzer Köter aus einer Tür. Mit tollkühnem Tempo und
selbstmörderischer Nichtbeachtung seiner Kette sprang er in Richtung meiner Kehle. Als jedoch die lange Kette zu ihrer vollen Länge gespannt war, würgte der Hund und strauchelte stumm zu Boden. Dann riß er wütend an der Kette und vollführte, geduckt und mit gebleckten Zähnen knurrend, ein übertriebenes Spektakel der Angriffslust, wie es viele Wesen tun, wenn ihr Zorn kein Ventil findet.
Die Männer auf der Bank hatten sich während dieses Schauspiels hündischer Wut kaum gerührt. Jetzt lachte Staiger nervös und vergewisserte sich, daß sein Hut richtig auf seinem Toupet saß. »Gehen Sie rein«, sagte Staiger. »Ich warte hier auf Sie.« Inzwischen hatte ich schon eine Ahnung von dem, was mich erwartete. Das Innere des Hauses war dunkel, die winzigen Fenster saßen niedrig in dicken Wänden. Der Boden war mit groben, abgetretenen Fliesen belegt, und es gab keine Möbel außer einem langen Eßtisch, der wegen seiner Größe gegen die Wand geschoben worden war, und ein paar alten Stühlen mit Sitzen aus geflochtenem Schilf.
Sie stand im Dämmerlicht. Sie sprach flüsternd. »Bernard!«
Mein erster Eindruck war, daß Fiona kleiner und dünner war, als ich sie in Erinnerung hatte. Dann, mit einem Anflug von schlechtem Gewissen, kam mir die Einsicht, daß mein langes
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Zusammensein mit Gloria der Grund dafür war.
»Was für ein verdammtes, verrücktes Spiel hast du denn nun wieder vor?« sagte ich. Die Worte kamen als Gemurmel heraus und verrieten, nehme ich an, meine Verwirrung. Ich liebte sie noch immer, war aber mißtrauisch, konnte mir nicht klar darüber werden, was sie eigentlich von mir wollte, und war auf keinen Fall willens, ihr noch mal eine Chance zu geben, mich hereinzulegen.
»Sei nicht böse.«
»Sei nicht böse«, wiederholte ich müde. Ihre berechnende Passivität heizte meinen Zorn an, und plötzlich schrie ich: »Du blödes, hinterlistiges Aas. Was hast du nun wieder vor? Bist du vollkommen wahnsinnig geworden?«
Sie musterte mich von oben bis unten und lächelte. Wer weiß, welche Feindseligkeit sie gegen mich hegte? Sollte sie ihrerseits genauso böse auf mich sein, ließ sie sich’s jedenfalls nicht anmerken. Sie wartete darauf, daß mein Zorn verpuffte, womit sie rechnen konnte, und lächelte wieder. Noch immer hatte sie dieses wunderbare Lächeln, das mich gleich bei unserer ersten Begegnung überwältigt hatte. Es war ein humorvolles Lächeln, ein wenig spöttisch, aber mit der Einladung, ihre Sicht der Welt um uns herum mit ihr zu teilen, eine Einladung, der ich nie hatte widerstehen können.
»Es gibt nichts zu essen hier. Nichts. Ich wußte, daß du hungrig sein würdest.«
Ihre Stimme war ausdruckslos, vielleicht absichtlich, und obwohl sie meine Frau war, hätte ich nicht sagen können, welche Gefühle sie hatte. So war das immer gewesen.
Manchmal fragte ich mich, ob es diese Rätselhaftigkeit war, die sie so anziehend für mich machte, und ich überlegte, in welchem Maße sie ihrerseits mich nicht verstand. Nicht in irgendeinem besonderen Maße, glaube ich.
»Bernard, Liebling.« Sie versuchte, die Arme um mich zu legen, aber ich wich ihr aus.
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Sie sagte: »Wie geht es den Kindern?« Und die Wärme ihres Körpers verbrannte mich, und ich wurde überwältigt von einem Duft, den ich fast vergessen hatte.
»Prima. Du fehlst ihnen.« Ich setzte hinzu: »Du fehlst uns allen.« Ihre Augen lachten mich aus. »Billy ist so groß. So groß wie du vielleicht. Er ist ganz verrückt nach Autos, hat
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