Gefaehrlich schoener Fremder
bis Emily es nicht mehr aushalten konnte, nichts zu sehen, nichts zu wissen.
Vorsichtig kroch sie auf den Sitz.
„Unten bleiben!"
Emily überhörte Logans Befehl und benutzte die Rücklehne als Schutz, während sie oben über die Kopfstütze lugte. Dabei war ihr natürlich nicht klar, dass die Sitzlehne eine völlig unzureichende Deckung vor einer großkalibrigen Waffe bot, noch ahnte sie, dass Logan wegen ihres unvorsichtigen Verhaltens tausend Tode starb.
Sie rasten gerade durch das Zentrum der Bergstadt, nach Norden, Richtung Grand Canyon. Urplötzlich riss Logan den Wagen herum und fädelte sich geschickt in den Verkehrsstrom einer abzweigenden Straße ein. Unwillkürlich bewunderte Emily seinen gekonnten Rennfahrerstil, andererseits aber packte sie das blanke Entsetzen über diese Horror-Jagd.
Auf einmal stockte ihr der Atem: Logan schnitt, ohne die Geschwindigkeit zu drosseln, zwei Wagen, um auf eine Highway-Abzweigung zu gelangen. Emily fühlte direkt, wie sich der Motor anstrengte, um die Höchstleistungen zu schaffen, die Logan ihm abverlangte, und spürte den reißenden Luftstrom, der durch die zersplitterte Rückscheibe drang.
Mit quietschenden Bremsen schnitt Logan einen weiteren Wagen. Emily kniff die Augen entsetzt zu und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, während Logan auf zwei Rädern die Zufahrt nahm. Der Wagen protestierte stöhnend, stand für den Bruchteil einer Sekunde, während die Reifen einen Ansatzpunkt auf dem heißen Asphalt suchten. Dann hatten sie wieder festen Kontakt mit der Straße.
Emily öffnete wieder die Augen, riss sie entsetzt auf. Logan jagte über eine Überführung, schlängelte sich geschickt durch Baustellensignale, wobei er immer wieder auf die Gegenfahrbahn lenkte, raste die nächste Abfahrt hinunter. Nach einer weiteren haarsträubenden Kurve lenkte er den Wagen auf den Parkplatz eines kleinen Einkaufszentrums.
„Komm", zischte er und packte schon Emilys Tasche und den kleinen Beutel mit ihren Habseligkeiten.
Emily krabbelte aus dem Wagen und musste rennen, um mit ihm Schritt halten zu können. In weniger als dreißig Sekunden hatte sich Logan entschieden, welchen Wagen er diesmal „leihen" wollte. Weitere dreißig Sekunden später saß er schon in einem Luxusgefährt mittlerer Größe und drehte die Drähte unter dem Armaturenbrett zusammen.
„Einsteigen!" knurrte er, während er das hässliche grüne Hemd auszog. Emily kroch in den Wagen.
Logan zerrte Lukes Hemd aus dem Beutel und schüttelte es aus, wahrscheinlich wegen womöglich vorhandener Glassplitter. Er zog es an und ließ es offen herunterhängen. Schnell drückte er sich eine Golfkappe, die auf dem Armaturenbrett lag, auf den Kopf und rutschte auf den Fahrersitz.
Nach nicht einmal zwei Minuten fuhren sie - jetzt in gemütlichem Tempo - vom Parkplatz weg.
Logan warf Emily einen strengen Blick zu. „Tauch wieder ab, und bleib diesmal unten! Und gib keinen Pieps vo n dir, hörst du?"
Widerspruchslos kauerte sich Emily unter dem Armaturenbrett zusammen, auf dem Platz, der für die Beine des Mitfahrers bestimmt war. Logan fuhr jetzt, als kenne er keine Sorge der Welt. Einen Arm hatte er durch das offene Fenster gelegt, die Finger schlugen ans Dach des Wagens, während das andere Handgelenk lässig über dem Steuer lag. Dabei pfiff er irgendeine unmelodische Tonfolge. Alles in allem ein Mann, der nichts anderes im Sinn hatte als ein erholsames Golfspiel am Nachmittag.
Emily starrte ihn an. Wer war Trace Logan? Wie konnte er einfach so, praktisch aus dem Nichts heraus, in die unterschiedlichsten Charaktere schlüpfen?
„Da sind unsere Freunde", teilte er ihr plötzlich mit.
„Wo?"
„In der anderen Richtung. Sie werden wahrscheinlich eine Weile brauchen, bis sie unseren alten Wagen gefunden haben. Aber dann werden sie wohl ziemlich schnell herauskriegen, welchen wir jetzt fahren", fügte er nachdenklich hinzu.
Kurz darauf fuhr er auf den vollbesetzten Parkplatz eines
Lebensmittelgeschäftes, direkt neben ein gleiches Automodell in derselben Farbe wie ihr gestohlenes. Emily musste Wache halten, während Logan innerhalb weniger Minuten die Zulassungsschilder austauschte.
Anschließend fuhren sie in Richtung Westen weiter. Erst achtzig Kilometer von Flagstaff entfernt erlaubte Logan ihr, sich wieder auf den Sitz zu setzen. Noch viel später, während der rasanten Fahrt über eine Nebenstraße in einem anderen Wagen, konnte Emily sich entspannen. Müde und teilnahmslos betrachtete sie die von
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