Gefaehrlich schoener Fremder
der Sonne versengte Wüstenlandschaft, die am Fenster vorbeizog.
Als es bis zum Grand Canyon nur noch knapp fünfzig Kilometer waren, konnte Emily Logans missbilligendes Schweigen nicht länger ertragen.
„Es tut mir leid, Logan."
„Das sollte es auch. Bleib nächstes Mal unten, wenn ich es dir sage."
„Ich meine wegen Luke. Ich hätte wissen müssen, dass er versuchen würde, mir zu folgen."
Logan warf ihr einen unergründlichen Blick zu. „Es ist meine Schuld. Auf diesem Gebiet sollte eigentlich ich der Experte sein. Mit Brüdern und ihrer Beschützerhaltung kenne ich mich gut aus."
Emily rieb sich die Arme. Trotz der Spätnachmittagshitze war ihr plötzlich irgendwie kalt. „Diese Männer werden sich doch jetzt nicht etwa Luke vornehmen?"
„Sie werden ihm nichts tun. Damit würden sie nur unnötige Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Vernehmungen wird, wenn überhaupt, die Polizei durchführen."
Kaum beruhigend, dachte Emily. Ihren Bruder mit der Polizei in Verbindung zu bringen, das wollte sie ganz sicher nicht. Ihre Eltern würden ihm bestimmt die Schuld für die üble Lage geben, in der sie steckte.
So war es immer gewesen. Noah und Sarah Osborn waren fest davon überzeugt, dass Emily weder den Mut noch die Verwegenheit besaß, sich in Schwierigkeiten zu bringen - es sei denn, Luke zog sie hinein.
„Meine Eltern werden fuchsteufelswild werden."
Eine merkwürdige Wortwahl in Anbetracht der Situation, dachte Logan und warf der zusammengekauerten Emily einen neugierigen Blick zu. Die Eltern müssten doch eher um die Sicherheit der Tochter besorgt oder zu Tode verängstigt sein.
Aber wütend?
„Sie werden entsetzt sein", fuhr Emily ausdruckslos, jedoch mit einem schmerzlichen Lächeln um die Lippen fort. „Kein Osborn hilft dem eigenen Kidnapper. Eine Osborntochter teilt nicht ein Hotelzimmer mit einem Mann, mit dem sie nicht verheiratet ist. Und sie steht auch nicht Schmiere, wenn er Autos stiehlt."
„Du bist schließlich keine freiwillige Komplizin."
„Das spielt keine Rolle. Meine Eltern werden das nie begreifen. Sie sehen die Welt in Schwarz-Weiß, in starren Kategorien von Richtig und Falsch. Für sie gilt ein klarer Verhaltenskodex, und Entschuldigungen
werden nicht zugelassen." Emily lachte bitter auf. „In diesem Fall wird mich wahrscheinlich nicht einmal Luke verstehen. Es muss ein Schock für ihn gewesen sein, als er sah, wie wir zusammen ein Motelzimmer genommen haben. Nach dem Fiasko mit Jacob überrascht es mich sogar, dass er nicht versucht hat, die Tür aufzubrechen."
„Wer ist Jacob?"
„Das ist der Mann, den meine Eltern für mich als Ehemann wollten."
Logan presste die Lippen zusammen. „Was hat dieser Mensch dir angetan, Emily?" Seine Stimme war hart und eiskalt. „Ist er gewalttätig geworden?"
„Er... er..." Emily strich sich mit einer fahrigen Bewegung übers Gesicht. „Es spielt keine Rolle."
„Sag es mir, Emily", drängte Loga n.
Sie fiel noch mehr in sich zusammen. „Irgendwie ist es eines Abends dazu gekommen, dass wir miteinander geschlafen haben. Ich wollte es eigentlich nicht.
Ich hatte noch nie mit einem Mann geschlafen. Aber ich dachte, es sei ganz richtig, weil wir ja heiraten würden..."
Logan stieß ein rüdes Wort hervor.
Etwas Ähnliches hatte damals auch Jacob hinterher gesagt. Emily fühlte sich klein, elend und schmutzig. „Jacob meinte, es wäre nie dazu gekommen, wenn ich ihn nicht verführt hätte."
„Dieser Bastard." In diesem Moment wäre Logan liebend gern mit dem Kerl fünf Minuten allein gewesen. Dieser Frömmling hatte nicht nur etwas, was schön und erhebend sein sollte, zu etwas Widerlichem und Schmutzigem gemacht, sondern auch noch Emily die Schuld dafür zugeschoben.
„Der Mann war ein Heuchler und Feigling. Wahrscheinlich schlug ihm das Gewissen, weil er dir die Unschuld genommen hat. Statt wie ein Mann die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen, hat diese Ratte dir die Schuld gegeben, damit er sich selbst besser fühlen konnte."
In dem dämmrigen Licht der einzigen Glühbirne im Zimmer des trostlosen Kleinstadtmotels trat Emily hinter den Duschvorhang. Während das lauwarme Wasser über ihren müden Körper lief, fühlte sie sich dankbar für diese Wohltat.
Sie seifte sich ein und wünschte sich dabei, sie könnte mit dem Schmutz auch ihre Erschöpfung und ihr Schuldgefühl abwaschen. Gestern Nacht war Logan in eine unbewohnte Hütte eines anderen abseits liegenden Motels eingedrungen. In dem schmalen Bett, das
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