Gefaehrlich sexy
nach den Einzelheiten fragen sollen. Doch ich konnte immer deutlich spüren, dass er nicht darüber reden wollte – und ich wusste aus Erfahrung, wie das ist. Jetzt aber sehe ich ihn an und sage ihm mit meinem Blick, dass es in Ordnung ist, wenn er darüber sprechen will. Dass ich für ihn da bin, wenn es allzu schmerzlich wird.
Er macht einen reinigenden Atemzug und öffnet sich. »Xander und ich haben unserem Dad versprochen, alles in unserer Macht Stehende für unseren Erfolg zu tun.«
Ich umfasse zärtlich sein Gesicht. »Das wünschen alle Eltern ihren Kindern, River, und ihr seid erfolgreich.«
Er schüttelt den Kopf und seufzt. »Nein, Dahlia, unser Dad hat das nicht allgemein gemeint. Er wollte, dass wir möglichst groß in der Musikszene rauskommen. Davon hat er selbst immer geträumt, aber egal, wie sehr er sich darum bemüht hat, er hat es doch nie geschafft. Zweimal war er kurz davor. Einmal hat er ein Album rausgebracht und ging damit auf Tournee, aber schlechte Verkaufszahlen und spärlich besuchte Auftritte haben dazu geführt, dass er am Ende wieder ganz am Anfang stand. Als ich vierzehn war, bekam er eine zweite Chance, aber da war er schon zu fertig, um die Anspannung des Auftritts durchzustehen. Danach ist er nie wieder aufgetreten, und unser Familienleben hat sich dramatisch verändert, bis er sich dann irgendwann erschossen hat. Dabei hat er uns als Erbe hinterlassen, seinen Traum zu leben. Weil es ihm nicht mehr vergönnt gewesen ist.«
Zwischen uns bildet sich eine Wand der Stille, und ich reiße ungläubig die Augen auf. Mir kommen die Tränen, und ich will ihn in den Arm nehmen und trösten, aber ich kann deutlich spüren, dass er weitersprechen will, und halte mich zurück. »Es tut mir leid, River. Das habe ich nicht gewusst. Aber ich bin hier, und du kannst mir mehr erzählen, wenn du willst.«
Er schnieft und blickt aufs Meer. »Wie gesagt, mein Vater war ein Träumer. Wollte immer ganz groß rauskommen, hat es aber nie geschafft. Trotzdem war mir nie bewusst, wie unglücklich er deshalb war. Als es mit seinem eigenen Erfolg nicht klappte, hat er sich ganz auf uns Kinder konzentriert. Hat uns alles, was er wusste, beigebracht. Hat versucht, so gut es ging für uns zu sorgen, indem er tagsüber Gitarrenunterricht gegeben hat und an beinahe jedem Wochenende aufgetreten ist. Als ich ungefähr zehn war, fing er an, abends in irgendwelchen Kneipen abzuhängen, und kam immer erst in den frühen Morgenstunden heim. Von da an hat Grandpa unserer Mutter immer heimlich Geld für Lebensmittel zugesteckt. Und sie hat das Geld genommen, damit Dad nicht das Gefühl hat, dass das Geld, das er verdient, nicht reicht. Weshalb Xander furchtbar wütend auf sie war. Er fand, sie sollte es ihm sagen und ihn zwingen, einer ordentlichen Arbeit nachzugehen, aber das hat sie nie getan. Sie wollte einfach daran glauben, dass sein Traum sich irgendwann erfüllt.«
Mit jedem seiner Worte bricht mein Herz ein wenig mehr, und ich tröste ihn, so gut ich kann. »Eure Mom hat ihn eben geliebt, wollte ihn unterstützen und ihn nicht verletzen. Was durchaus verständlich ist.«
»Dahlia, genau das ist es ja. Das ist die Ironie des Ganzen. Dass er uns alle verletzt hat und nur Xander es gesehen hat. Mein Vater hat in seiner eigenen Welt gelebt, und meine Mutter hat ihn nicht gezwungen, in die Wirklichkeit zurückzukehren. Er hatte sich eine eigene Traumwelt aufgebaut. In der war er ein Star, und um zu vergessen, dass die Wirklichkeit ganz anders aussah, fing er an zu trinken. Irgendwann wurde die Sauferei so schlimm, dass Xander und ich, nachdem Mom wieder angefangen hatte zu arbeiten, immer versucht haben, ihn auszunüchtern, bevor sie nach Hause kam. Als wir eines Tages aus der Schule kamen, war er wieder mal sternhagelvoll und lag mit einer anderen Frau im Bett. Wir haben der Frau gesagt, dass sie verschwinden soll, und alles aufgeräumt, bevor unsere Mutter von der Arbeit kam. Mom hat ihn geliebt, und das hätte sie wahrscheinlich umgebracht. Er hat auch immer gesagt, dass er sie mehr als alles andere liebt. Wobei diese Art, ihr das zu zeigen, ziemlich seltsam war. Xander hat ihn danach gehasst. Ich habe ihn geliebt und gleichzeitig gehasst, aber vor allem hat er mir unendlich leidgetan.«
Ich streichle Rivers Wange und unterdrücke meine eigene Traurigkeit. »Das war vollkommen normal. Du liebst deine Mom und wolltest nicht mit ansehen, wie er sie verletzt.« Ich bin nicht sicher, ob ich seine Antwort
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