Gefaehrlich sexy
hören will, aber da ich weiß, dass ich die Frage stellen muss, flüstere ich mit heiserer Stimme: »Was ist mit ihm passiert?«
Er sieht mir tief in die Augen und umfasst mit seinen sanften Händen mein Gesicht. »Versprich mir, dass wir nie wieder darüber reden müssen, wenn ich es dir sage.«
»Das verspreche ich.« Ich küsse seine Hand.
Obwohl sich mein Herz zusammenzieht, wappne ich mich dafür, auch noch den Rest seiner Geschichte anzuhören. Seine Augen werden traurig, während er mit belegter Stimme erzählt: »Als Xander und ich eines Tages vom Basketballtraining nach Hause kamen, war Dad wieder mal blau. Er hatte Bell, statt sie noch etwas mit ihren Freundinnen unternehmen zu lassen, direkt nach der Schule abgeholt, weil er dachte, sie hätte noch nicht genug Gitarre geübt. Kaum, dass wir durch die Tür getreten waren, haben wir ihn schon gehört. Er hat sie angeschrien, meinte, sie würde die falschen Akkorde spielen und sollte es noch mal probieren. Sie hat geweint, und ihre Finger waren blutig. Waren total blutig von der ganzen Spielerei. Als Xander das gesehen hat, ist er total ausgeflippt. Er hat sich auf meinen Dad gestürzt und ihn windelweich geprügelt. Dad hat kein einziges Mal zurückgeschlagen, aber trotzdem hat mein Bruder einfach nicht mehr aufgehört. Er hat mich angeschrien, dass ich mit Bell verschwinden soll, und das habe ich getan. Ich habe sie bei unseren Nachbarn abgesetzt, meinen Grandpa angerufen, und als ich wieder nach Hause kam, war mein Vater tot.«
In seiner Stimme liegt bereits ein solcher Schmerz, dass ich ihn nicht darum bitten will, dass er mir auch noch den Rest erzählt. Tränen rinnen mir über die Wangen, und mein Puls fängt an zu rasen, aber mir ist klar, dass er seinen Bericht beenden will. Das sehe ich ihm an. Also hole ich tief Luft, nehme seine Hände und dränge ihn fortzufahren. »Was ist passiert?«
Er atmet zischend ein, und dann erzählt er mir etwas, worüber er bisher mit keinem Menschen je gesprochen hat. »Direkt nachdem ich und Bell gegangen waren, war meine Mutter heimgekommen und hat Xander von meinem Vater heruntergezerrt. Dad erzählte ehrlich, was passiert war, und sie hat ihm gesagt, dass er das Haus verlassen muss. Also ging er ins Schlafzimmer, und sie und Xander dachten, dass er seine Sachen packt, aber dann haben sie plötzlich einen Schuss gehört.«
Ich erschaudere und ziehe ihn so eng es geht an meine Brust. »Es tut mir leid, River, es tut mir furchtbar leid.«
Er strafft die Schultern, macht sich von mir los, nimmt meine Hände und fährt mit zornbebender Stimme fort. »Das ist noch nicht alles. Er hat uns eine Nachricht hinterlassen. Hat sich darin nicht entschuldigt oder uns erklärt, warum er sich erschossen hat, sondern gesagt, dass er uns alle liebt, dass wir Jungs auf Mom und Bell aufpassen und uns nie mit etwas anderem als dem ersten Platz begnügen sollen, weil er wüsste, dass wir schaffen können, wozu er nicht in der Lage war. Xander und Bell haben seit diesem Tag nie mehr gesungen oder irgendein Instrument gespielt. Aber ich habe niemals damit aufgehört. Ich weiß nicht, ob ich seinet- oder meinetwegen damit weitergemacht habe, aber ich habe die Musik geliebt und hatte einen Riesenspaß daran, bis Xander eines Tages von einem Treffen mit Grandpa kam und sagte, dass er mich managen und ganz nach oben bringen will. Ich habe nie gefragt, warum, aber seither ist er fest entschlossen, alles nur Erdenkliche dafür zu tun, dass unsere Band erfolgreich wird. Ich kann ihn also unmöglich im Stich lassen.«
»Du bist es dir schuldig, das zu tun, was für dich selber richtig ist. Bitte denk darüber nach.«
»Mein Vater hat immer zu uns gesagt, dass Narben die Wegbeschreibung zu der Seele eines Menschen sind. Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, um zu verstehen, was er damit gemeint hat, aber seit ich dir begegnet bin, weiß ich, was er damit sagen wollte.«
Gerührt von seinen Worten, aber unglücklich wegen der Dinge, die seiner Familie widerfahren sind, lege ich ihm die Hand unters Kinn und sehe ihm ins Gesicht. »Ich liebe dich so sehr.«
Er lässt sich nach vorne sinken, bis sich unsere Nasenspitzen leicht berühren, vergräbt den Kopf an meinem Hals und stößt einen leisen Seufzer aus. Nach ein paar Minuten presst er den Mund auf meine Lippen und küsst mich mit einer Dringlichkeit, die zeigt, dass nur ich die Leere tief in seinem Inneren füllen kann. Sein Kuss ist kraftvoll und vollkommen natürlich, und als er seinen
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