Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
in meiner Aufregung nicht erinnern. Ich mache mindestens einen Fehler pro Wort, als ich eine Nachricht formuliere. Bevor ich sie beenden kann, stapft Mathis in Jeans und naturfarbenem Rollkragenpulli quer durch sein Schlafzimmer und kommt geradewegs auf mich zu. Sein Blick ist der eines Wolfes, der sich im nächsten Augenblick auf das Schaf stürzen und ihm die Kehle durchbeißen wird. Ich kann gerade noch auf Absenden drücken und das iPhone hinter mich auf die Fensterbank legen.
„Ich hatte Durst. In meinem Zimmer gibt es nichts zu trinken“, stammele ich. Meine Stimme zittert genauso wie meine Finger. Kalter Schweiß schießt mir auf die Stirn. Vielleicht habe ich ja Glück und er hat nicht gesehen, dass ich sein Handy benutzt habe. Viel Hoffnung habe ich jedoch nicht.
„Erzähl‘ keinen Scheiß!“ , zischt Mathis. Er greift um mich herum. Als er seine Hand hinter meinem Rücken vorzieht, befindet sich das iPhone darin.
Ich kann meine angsterfüllten Augen praktisch selbst vor mir sehen, als er nachsieht, was ich mit seinem Handy angestellt habe. Es dauert keine Sekunde, da hat er meine Nachricht gefunden.
„ Informiere sofort Commissaire José Carreras von der Pariser Police judiciaire“, liest er laut vor. „Mama und ich wurden entführt. Sind in unscheinbarem Schloss auf 41 ha Land außerhalb von Paris. Viel Wald und Felder. Eine Holzhütte an Abhang. Unten ein kleines Dorf. 17 – 20 Häuser. Die Typen heißen …“
Wie versteinert stehe ich mit dem Rücken zum Fenster und star re auf den großen Kerl vor mir.
„Du hättest das Absenden der Nachricht bestätigen müssen“, brummt er. „Ich telefoniere ausschließlich über einen anonymen Server. Aber weißt du was, Jade? Ich bestätige die Nachricht für dich. Schließlich hat mein Onkel dir versprochen, dass du deinem Freund eine Nachricht schicken kannst. Ich lösche nur kurz vorher den Satz mit der Polizei. Und den Satz mit der Entführung formuliere ich um.“ Mit zwei Daumen tippt er auf das Display. Dabei liest er laut vor: „Mama und ich haben uns kurzfristig zu einem Wellness-Trip entschlossen. Den Satz mit der Holzhütte und den halben Satz, in dem stehen sollte, wie die Typen heißen, lösche ich auch. Dann ändere ich die Absenderadresse in Jade. So. Jetzt ist die Nachricht wirklich weg.“ Er steckt sich das Handy in die Gesäßtasche und geht dann zu der kleinen, ultramodernen Küchenzeile, deren Fronten aus knallrotem, hochglänzenden Lack sind. „Prosecco? Buttermilch? Ein Spiegelei?“
„Prosecco“, stöhne ich . Eigentlich würde ich am liebsten aus diesem Zimmer fliehen, habe jedoch die Befürchtung, dass ich nicht weit komme.
Mathis öffnet eine Flasche Prosecco und schenkt ihn in zwei langstielige Gläser. Er reicht mir ein Glas und hebt es an: „Auf deine Nachricht an deinen wunderbaren Freund Clément, der dir bis jetzt noch keinen Heiratsantrag gemacht hat.“ Das Glas klirrt gegen meines, bevor ich es zurückziehen kann.
„Blödmann!“, zische ich und stürze den Prosecco hinunter. Obwohl ich gleichermaßen geladen wie panisch bin, bemerke ich im letzten Moment, wie vorzüglich das Gesöff schmeckt. Wie Champagner. Ich strecke meinen Arm mit dem Glas aus.
„Mehr?“, fragt Mathis belustigt.
Ich nicke und die perlende Flüssigkeit plätschert in mein Glas, doch dieses Mal stürze ich das Zeug nicht gleich in einem Zug hinunter, sondern nehme nur einen klitzekleinen Schluck und lasse ihn auf meiner Zunge zergehen. „Das ist kein Prosecco.“
„Aha, die Frau, die an die große Liebe glaubt, ist nicht nur eine Wildkatze und eine kleine Geheimagentin, sondern auch eine Feinschmeckerin.“
„Mann“, stöhne ich , denn so langsam finde ich wieder zu mir, „ist das nun Champagner oder nicht?“
„Dafür dass du einfach so in meine Wohnung hineinspazierst und dich an meinem Handy vergreifst, bist du ganz schön frech.“
„Ich wüsste nicht, warum ich zu einem Einbrecher und Entführer lieb sein sollte.“
„Wollen wir uns setzen?“ Mit einer weit ausholenden Bewegung weist Mathis auf die Sitzlandschaft, auf der mindestens zwanzig Leute Platz haben. Als ich mich nicht von der Stelle rühre, pflanzt er sich allein auf das äußerste Ende des Riesensofas, das aus einer Art Doppelliege besteht. Genüsslich stöhnend streckt er die langen Beine aus.
„Und jetzt?“, frage ich betont spöttisch, weiß aber nicht wirklich, wo ich hinsehen soll. In Mathis‘ hübsches Gesicht, auf die Finger, die das noch
Weitere Kostenlose Bücher