Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 1
feuchte Haar nach hinten kämmen oder auf den nach oben verrutschten Rollkragenpulli, der ein klitzekleines Stück von seinem flachen Bauch freigibt.
„Jetzt erklärst du mir, wie du darauf kommst, dass ich dich oder deine Mutter entführt habe.“
„Hah“, entfährt es mir. „Es wäre wohl angebrachter, wenn du mir erklären würdest, warum ihr uns entführt habt.“ Dann stutze ich. „Hast du mich etwa nicht entführt?“
„Ich formuliere die Frage einmal um: Aus welchem Grund sollte ich dich entführen?“
„Das ist eine gute Frage, auf die wohl nur du und dein Onkel eine Antwort wissen.“
„Ich habe keinen Grund. Außer dem, dass du ein ziemlich hübsches Vögelchen bist, das sich von allein nicht in meinen Palast verirren würde.“ Er grinst breit. Inzwischen hat er sein Haar gerichtet und auch bemerkt, dass der Pullover hochgerutscht ist. Er zieht ihn nach unten und nimmt einen Schluck von dem Prosecco, der wie Champagner schmeckt.
Da er keine Anstalten macht, seine Überlegungen weiter auszuführen spreche ich aus, was mir spontan durch den Kopf geht. „Du willst mir nicht weismachen, dass du der Prinz auf dem weißen Pferd bist, der sich die Prinzessin angelt.“
Spöttisch zieht er eine Augenbraue in die Höhe. Dann schwingt er sich vom Sofa hoch. „Mit einem weißen Pferd könnte ich dienen. Aber ehrlich gesagt habe ich es nicht nötig, mir eine Braut zu klauen.“
„Du meinst, sie rennen dir auch so die Bude ein?“ Gleich ist mein zweites Glas leer, obwohl ich eigentlich nur noch daran nippen wollte.
Mathis nimmt es mir aus der Hand und räumt es zusammen mit seinem Glas in die Spülmaschine. „Hast du Lust auf einen Rundgang?“
„Durch das Schloss?“
„Das Gelände und den Stall hast du schon gesehen, oder?“
Warum müssen Menschen nur derart spöttische Bemerkungen von sich geben? „Ist es dir unangenehm, dass ich mich in deiner Wohnung befinde?“
„Spielst du damit auf mein schönes Bett an?“
Ich merke, wie mir das Blut in den Kopf schießt, was es nur noch schlimmer macht. Garantiert sehe ich wieder mal aus wie eine Tomate. Gegen diese höchst unerfreuliche Angewohnheit meines Körpers in brenzligen Situationen hätte ich schon vor Jahren etwas unternommen, wenn es möglich wäre. „Bilde dir mal nichts ein“, sage ich patzig und flüchte geradewegs aus Mathis‘ Wohnung.
„Links rum“, ruft er mir nach und überall auf dem Gang gehen die Beleuchtungen über den Gemälden an, die auch hier zwischen den Türen hängen, und an denen ich bisher achtlos vorübergegangen bin. Das unverschämte Grinsen in Mathis‘ Gesicht kann ich förmlich vor mir sehen, obwohl ich ihm den Rücken zudrehe. Doch als er neben mir auftaucht, sieht er mich wieder in seiner undefinierbaren Art an.
„ Der Eingang zur Wohnung meines Vaters.“ Mathis tippt lautlos an eine der vielen weiß lackierten Kassettenholztüren. Bei den darauf folgenden zehn Türen sagt er jedes Mal: „Renoviert, aber leer.“
„Und abgeschlossen“, ergänze ich.
Daraufhin greift er oben auf einen Türrahmen. Mit dem Schlüssel, den er nun in der Hand hält, schließt er auf. Hinter der Tür liegt ein rechteckiger Raum mit weiß gestrichener Stuckdecke, cremefarben getünchten Wänden und Fischgrätparkett auf dem Boden. „So sieht es hier überall aus. Außer bei euch, bei meinem Vater und bei mir.“
„Was wollt ihr mit all dem Platz? Ihr seid doch bloß zu zweit.“
„Zu viert. Domi und Guy wohnen im Erdgeschoss“, erinnert mich Mathis an seinen Großelternersatz. Er schließt das Zimmer wieder ab und legt den Schlüssel zurück auf den Türrahmen. „Diesen Schwachsinn tun wir, seit einmal eine Horde Jugendlicher ins Schloss eingedrungen ist und hier alles mit Graffitis verschönert hat.“
„Warum schließt ihr nicht einfach die Haustür ab?“
„Onkelchen mag die Freiheit.“
„Das ist idiotisch.“
„Ja.“
Wir gehen mal wieder in ein Treppenhaus.
„Kannst du dich nicht gegen deinen Onkel durchsetzen?“
„ Wozu? Mir sind die Zimmer eh gleichgültig. Onkel Antoine lässt sie nach und nach renovieren. Im Januar soll die erste Etage fertig werden“, er nimmt den Schlüssel von der Türzarge zur ersten Etage, „hier ist momentan überall Baustelle. Die Bauarbeiter haben in diesem Monat ein wichtigeres Projekt am Start.“
Als Mathis die Tür öffnet, schlägt uns Zementgeruch entgegen. „Wenn du dir die Socken nicht ruinieren willst, sollten wir uns dieses Stockwerk ersparen.
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