Gefaehrliche Begierde
musste, was sie bisher nur Myst anvertraut hatte.
Es gab keine halben Sachen. Nicht mit ihm. Alles oder nichts. Genauso wollte sie es.
Einen Entschluss gefasst zu haben, machte das Reden jedoch nicht leichter. Mac war mit Leib und Seele Polizist, ein Ex-Beamter des Seattle Police Department. Seine Reaktion war ungewiss, wenn er erfuhr, dass es eine Kriminelle in ihrer Familie gab. Tania verzog das Gesicht. Mensch, das klang gar nicht gut, und sie hatte es noch nicht mal laut ausgesprochen.
Vor Nervosität verknotete sich ihr Magen. Sie atmete tief durch, nahm allen Mut zusammen und griff nach dem Brief. Papier raschelte. Die Haarspangen klimperten, als sie sie in einem neuen Haufen auf der Kommode zusammenschob. Sie hob den Blick und begegnete Macs im Spiegel. Eine zuverlässige, schweigende Präsenz hinter ihr tippte er sich ans Kinn und fragte sie ohne Worte. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, beschleunigte sich noch etwas mehr und erfüllte sie mit Unsicherheit. Sie unterdrückte ihr Unbehagen, schluckte schwer und reichte ihm den Brief über ihre Schulter, vertraute ihm ihr Geheimnis an.
Er hielt ihren Blick fest und nahm den Brief entgegen. Der Geruch von Salzwasser stieg auf, als er J.J.s Brief entfaltete. Tania beobachtete, wie er ihn las. Er kam zum Schluss, dann las er ihn erneut, überflog ihn von Anfang bis Ende.
»Meine Schwester... ist die verurteilte Kriminelle«, flüsterte sie, konnte das Schweigen nicht länger ertragen. »Was sagst du dazu?«
»Das trifft mich absolut nicht, Liebling.« Er umarmte sie von hinten und schmiegte sein Kinn oben auf ihren Kopf. Er warf den Brief in Richtung Kommode. Das Papier flatterte, schwankte in der Luft, bevor es auf dem Boden landete. »Aber dich belastet es, nicht wahr?«
»Ich hasse es, dass sie da drin ist, aber nicht aus den Gründen, die du wahrscheinlich vermutest«, sagte sie, den Tränen nahe. Und wieder einmal verfolgte sie das Wenn-doch-nur. Wenn sie doch nur eine bessere große Schwester gewesen wäre. Wenn sie doch nur besser aufgepasst und J.J-Hilfe besorgt hätte. Sie gerettet hätte ... wie auch immer... bevor die Dinge zu einer Es-geht-um-Leben-oder-Tod-Situation eskalierten. Wenn doch nur... wenn doch nur... wenn doch nur. Drei kleine Wörter. Aber eine schwere Hypothek. »J.J. ist ein Freigeist... ein wunderschöner Vogel. Sie braucht ihre Freiheit.«
»Stattdessen sitzt sie in einem Käfig.« Als sie nickte, fragte er. »Weswegen sitzt sie?«
»Totschlag.« Er hob die Augenbrauen. Sie schmiegte sich an ihn, legte ihren Kopf an seine Schulter. »Ihr Freund war ein echter Vollidiot. Sie hat ihn verlassen. Das gefiel ihm nicht, und...«
»Mist. Er hat ihr nachgestellt, nicht wahr?«
»Er hat ihr gedroht, erst mich umzubringen, und dann sie.«
»Dieser Drecksack«, knurrte er, und seine Augen verdunkelten sich vor Zorn.
»Ein Arschloch allererster Güte«, bestätigte sie und hielt seinen Blick fest. »Aber die Sache ist die, ich muss zu J.J.s Bewährungsausschussanhörung. Ich bin alles, was sie hat. Ihre ganze Familie. Niemand anders wird aufstehen und für sie sprechen. Sie ist meine kleine Schwester, Mac. Ich muss sie unbedingt da rausholen.«
»Das verstehe ich«, sagte er und verwirrte sie mit seinem Verständnis.
Dieser erstaunliche, unglaubliche, wunderbare Mann. Statt sie zu verurteilen, wie sie befürchtet hatte, hörte er ihr zu und akzeptierte, unterstützte sie unbesehen. Sie hielt die Tränen zurück und flüsterte ein von Herzen kommendes »Ich danke dir«.
»Keine Ursache.« Er tat ihre Dankbarkeit ab und drück-te sie sanft. »Aber bevor wir irgendetwas entscheiden, lass mich mit Sloan reden.«
Tania runzelte die Stirn. »Warum?«
»Er kennt sich gut mit Computern aus. Vielleicht kann er sich in deren System einhacken ... uns über den Stand der Verhandlungen in Sachen deiner Schwester informieren und...«
»Oh mein Gott!«, schrie sie auf, als das, was er sagte, bei ihr ankam. Ein Wunder... es gab eine echte Chance zu gewinnen und J.J. die Freiheit zu sichern. Ihr Herz machte einen Freudensprung. Ausgelassen hüpfte sie auf und ab in seinen Armen. »Heiliger Bimbam, ich liebe dich. Ich liebe dich!« Sie küsste ihn und fiel ihm um den Hals. »Danke ... ich danke dir ... danke!«
In der Erwartung, dass er ihre Umarmung erwidern würde, runzelte Tania die Stirn, als Mac regungslos verharrte. Eine Nanosekunde später versteifte er sich und löste die Umarmung. Sie trat zurück, um ihn zu mustern. Er sah, nun ja...
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