Gefährliche Begierde
Leuten jetzt?«
»Wir können hier stehen bleiben und uns anbrüllen, oder wir könnten unter vier Augen weitersprechen. Was ist Ihnen lieber?«
Sulaway blickte sich um, als ob er den Wald nach Beobachtern absuchte. Dann keifte er: »Na, und? Braucht Ihr beiden eine Extraeinladung, oder was?«
Sie folgten ihm nach drinnen. Sullys Küche war klein und dunkel, die Sicht nach draußen von großen Bäumen versperrt, und jedes Regal, jede Ablagefläche war mit Müll und Firlefanz voll gestellt. Zeitungen türmten sich in Stapeln auf dem Boden. Eine einzige freie Fläche bot sich auf dem Küchentisch. Das ungleiche Trio nahm auf alten schwarzen Stühlen, die aussahen, als würden sie jeden Moment zusammenbrechen, rund um den Tisch Platz.
»Ihr Bruder war der Einzige, den sie wirklich unter Druck setzten«, erzählte Sully Chase. »Aber Richard dachte nicht daran, nachzugeben, nein Sir. Er sagte uns, wir müssen zusammenhalten. Sagte, wir können nicht verkaufen, egal, wie viele Briefe sie uns schicken oder wie viele Lügen sie über uns verbreiten.« Sully schüttelte den Kopf. »Hat nicht viel genützt. Fast jeder an der Straße ging und unterschrieb auf dem Papier von Graffam, einfach so. Und Richard ahnte, was passieren und was das bedeuten würde. Habe gehört, er wurde mit einem Messer gepiekt.«
Miranda bemerkte, dass Chase sie ansah. Der alte Sully war so mit sich beschäftigt, dass er nicht erkannte, dass er mit genau der Frau zusammensaß, die beschuldigt wurde, dieses Messer in Richard Tremain gestoßen zu haben.
»Sie erwähnten einen Brief«, sagte Chase. »in dem Sie aufgefordert wurden zu verkaufen. Hat Graffam ihn geschickt?«
»War nicht unterschrieben. Ich habe gehört, keiner der Briefe war es.«
»Also, hat Richard auch so einen Brief bekommen?«
»Glaub schon. So wie die Barretts die Straße runter. Vielleicht hat jeder einen bekommen. Die Leute hier reden nicht darüber.«
»Was stand in diesem Brief? In dem, den Sie bekommen haben?«
»Lügen. Bösartige, gemeine Lügen …«
»Und in dem, den sie Richard schickten?«
Sully zuckte mit den Achseln. »Da bin ich nicht eingeweiht.«
Miranda sah sich in der Küche mit den überquellenden Regalen um. Dieser Mr. Sulaway war ein echter Messie. Er schien alles aufzuheben, Müll, Werbung, alte. Verpackungen, einfach alles. »Haben Sie diesen Brief noch?« fragte sie.
Sully machte einen Buckel wie ein Einsiedlerkrebs, der drauf und dran war, sich in einer Muschel zu verkriechen. Er grunzte. »Vielleicht.«
»Können wir ihn sehen?«
»Weiß nicht.« Er seufzte und rieb sich über das Gesicht.
»Weiß nicht.«
»Wir wissen, dass es Lügen sind, Mr. Sulaway. Wir wollen nur sehen, nach welcher Taktik sie vorgehen. Wir müssen Graffam stoppen, bevor er noch mehr Unheil anrichtet.« Einen Moment lang saß Sully buckelig und still auf seinem Stuhl. Miranda fragte sich, ob er sie vielleicht nicht richtig verstanden hatte. Aber da erhob er sich und schlurfte zum Küchentresen hinüber. Er entnahm dem Mehlbehälter ein zusammengefaltetes Blatt Papier und gab es Miranda.
Sie breitete es auf dem Tisch aus.
»Was geschah wirklich mit Stanley? Die Lula M. weiß es. Und wir wissen es auch.«
Unter diese kryptische Worte hatte jemand eine Notiz gekritzelt. »Verkauf, Sully.«
»Wer ist Stanley?« wollte Miranda wissen.
Sully war auf seinem Stuhl zusammengesunken und starrte auf seine ledrigen Hände hinunter.
»Mr. Sulaway?«
Die Antwort war nur ein Flüstern. »Mein Bruder.«
»Worauf bezieht sich die Notiz?«
»Es ist schon lange her …« Sully fuhr sich über die Augen, als wollte er etwas wegwischen, dass seine Sicht trübte.
»Ein Unfall«, murmelte er. »Das passiert die ganze Zeit da draußen. Die See. Man kann ihr nicht trauen. Darfst ihr nie den Rücken zukehren …«
»Was passierte mit Stanley?« fragte Miranda freundlich.
»Bekam … bekam seinen Stiefel in die Leine der Netzwurfmaschine. Hat ihn sauber über die Seite gezogen. Das Wasser ist kalt im Dezember. Es bringt dein Blut zum Gefrieren. Ich war an Bord der Sally M., habe es aber nicht gesehen.« Er drehte sich um und starrte zum Fenster. Die Bäume draußen schienen das Haus einzuschließen und es von jeglichem Licht und aller Wärme abzuschneiden.
Sie warteten.
Dann sagte er leise: »Ich war derjenige, der ihn fand. Die Lula schleppte ihn in der Hecksee mit. Ich schnitt ihn frei … hievte ihn an Bord … brachte ihn in den Hafen.« Er schauderte. »Das war’s. Lange
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