Gefaehrliche Begierde
lebendig war.
Pfarrer Doyle hatte nicht gut geschlafen. Er stand immer sehr früh auf, und war bereits um sechs Uhr jeden Morgen in der Kirche von Hatton. Auch der heutige Tag war keine Ausnahme. Er verdankte seinen Lebensunterhalt den Hattons und kritisierte ihre Taten nur selten. Er war jedoch schockiert gewesen, als er Lord Hatton am Sonntag nicht in der Kirche gesehen hatte, wo vor der ganzen Gemeinde die Ankündigung seiner Hochzeit verlesen worden war. Auch Christophers zukünftige Braut, Alexandra Sheffield, hatte ihn durch ihre Abwesenheit misstrauisch gemacht. Es wäre seine Pflicht gewesen, die beiden zu ermahnen, aber er hatte Angst davor, seinen Lebensunterhalt zu verlieren.
Doyle hatte zwei Tage vorübergehen lassen, doch sein Gewissen plagte ihn jetzt so sehr, dass er sich entschied, zu handeln. Mit dem Gebetbuch in der Hand schloss er die Kirchentür hinter sich und machte sich auf den Weg nach Hatton Hall.
Nicholas Hatton lag im Bett. Die ganze Nacht hatte er nicht schlafen können, weil die Geschehnisse der letzten Tage noch einmal an seinem inneren Auge vorüberzogen. Alles schien zu unwirklich, als dass er es hätte glauben können. Doch er hatte Seine königliche Hoheit, den Prinzregenten wirklich ausgeraubt und war dafür in den Kopf geschossen worden. Er hatte in dem Dirnenhaus Alexandra wirklich entdeckt und hatte sie wirklich mit in sein Bett in der Curzon Street genommen. Er hatte ihr wirklich die Unschuld genommen, doch erst, nachdem er ihr gestanden hatte, dass er sie liebte. Er hatte sie wirklich gebeten, ihn zu heiraten.
Fluchend stand Nick aus dem Bett auf und stützte die Arme auf das Fensterbrett, während er den Sonnenaufgang beobachtete. Den ganzen Abend hatte er darauf gewartet, dass sie nach Hatton kam. Selbst jetzt noch weigerte er sich, die Hoffnung aufzugeben. Wenn sie ihn liebte, würde sie zu ihm kommen.
Als Mr. Burke ihm ein frisch gestärktes Hemd und eine Krawatte brachte, zögerte er. Wäre es nicht besser, Kleidung zu wählen, in der er mit den Pferden auf der Grange arbeiten konnte, oder sollte er seine beste Kleidung tragen, falls Alex kam? Er ging einen Kompromiss ein und zog das frische Leinenhemd an, dazu wählte er lohfarbene Hosen und braune Lederstiefel. Er griff nach dem Buch, das er in der Nacht zu lesen versucht hatte, und brachte es in die Bibliothek zurück. Er wollte gerade zum Fenster gehen, als ein Blatt Papier, das auf dem Schreibtisch lag, seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war eine Heiratslizenz, ausgestellt auf den Namen Christopher Flynn Hatton und Alexandra Sheffield.
Als er ihren Namen las, zog sich alles in ihm zusammen. Sein Herz hatte ihm gesagt, dass Alex ihn liebte und niemals seinen Zwillingsbruder heiraten würde. Sein Kopf jedoch sagte ihm, dass er ihr weder Reichtum noch einen Titel bieten konnte. Er hatte auch ihr Vertrauen missbraucht. Warum also sollte sie nicht Christopher heiraten?
Als Alexandra in der Morgendämmerung aufwachte, streckte sie die Hand aus, um Nicholas zu berühren. Doch dann fiel ihr alles wieder ein und sie begriff, dass sie in ihrem eigenen Bett im Herrenhaus von Longford lag. Alex schloss die Augen, als der Schmerz der Wirklichkeit sie einholte. Sie errötete, als sie daran dachte, wie verschwiegen sie ihrer Großmutter gegenüber gewesen war.
»Margaret geht es viel schlechter, Liebling, aber ich denke, sie ist entschlossen, so lange auszuhaken, bis sie gesehen hat, dass du und Christopher verheiratet seid.«
»Ich muss zu ihr gehen!«
»Nein, der Arzt hat ihr Laudanum gegeben, und sie schläft endlich friedlich. Du solltest sie jetzt nicht stören.«
Das war der Zeitpunkt, an dem Alex ihrer Großmutter gesagt hatte, dass das Kleid, das sie für die Hochzeit bestellt hatte, noch nicht fertig war. Sie hatte nichts davon gesagt, dass sie Christopher nicht heiraten würde. Der Schmerz, den Nicholas ihr zugefügt hatte, war viel zu heftig und viel zu persönlich gewesen, um mit jemandem darüber zu reden, doch heute würde sie die richtigen Worte finden müssen, um Dottie die Wahrheit zu sagen. Zuerst jedoch würde sie nach Hatton reiten und mit Kit reden. Er und sein Zwillingsbruder hatten sich zusammengetan, um sie zu betrügen, und sie fühlte ein überwältigendes Bedürfnis, ihn zur Rede zu stellen.
Sie zog ihre Reitkleidung an, jedoch entschied sie sich gegen die gelbe Jacke, die sie normalerweise dazu trug. Ihre Laune war heute gar nicht sonnig. Stattdessen wählte sie eine zu dem Rock
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