Gefaehrliche Begierde
den Kutscher, auf sie zu warten. Er nannte ein Codewort, damit sie eingelassen wurden und hielt ihr dann die Tür auf. »Erlaube mir, Liebling.«
Alex zog ihren Zylinder aus und reichte ihn dem Portier, dann warf sie Hart einen anbetenden Blick zu. »Danke, Liebling.« Sie war enttäuscht, als das Gesicht des Portiers unbewegt blieb.
Der Club war voller Gentlemen in Abendkleidung und Damen in kostbaren aber auffälligen Kleidern. Der Lärmpegel war außergewöhnlich hoch. Die Paare drängten sich um die Spieltische, sie lachten, tranken und flirteten auffällig. »Dem lauten Lachen nach zu urteilen, scheinen sich alle zu amüsieren.«
Hart lachte laut auf.
»Was ist denn so verdammt komisch?«, zischte sie.
»Du, Liebling. Was möchtest du trinken, Rumpunsch?«
»Ich werde Champagner trinken... Liebling«, fügte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hinzu. Als sie an ihrem Glas nippte und ihr die Perlen in der Nase kitzelten, sah sie sich in dem nur schwach erleuchteten Raum um. Die meisten Frauen waren stattlich. Die Federn auf ihren Perücken ließen sie größer erscheinen als ihre Partner. Einige von ihnen waren spindeldürr und ohne Formen. Alex bewunderte gerade einen mit Diamanten besetzten Halsreif einer Frau in einem schwarzen Kleid, als sie ihren Adamsapfel entdeckte. Sie beugte sich zu Hart und murmelte: »Ich vermute, dass die Frau an dem Roulette-Tisch ein Mann ist.«
»Was hast du doch für lasterhafte Gedanken, Liebling.« Seine Heiterkeit war so groß, dass er sich beinahe an seinem Brandy verschluckt hätte.
Ein Paar kam von der Tanzfläche und ging an ihrem Tisch vorbei. »Guten Abend, Hart.« Alex war erstaunt, als sie Harts Bruder erkannte, den Grafen von Carlisle. Seine Begleiterin war jedoch nicht Harts Schwester Dorothy, sondern eine sehr hübsche Frau mit einem geschminkten Gesicht und zierlichen Händen und Fesseln. »Seine Lordschaft mit einer Prostituierten! Sie ist noch so jung, es ist unerhört.«
»Sieh dir doch all die Frauen einmal genauer an, Alex.«
Alex' Augen weiteten sich. Sie war schockiert.
»Du bist die einzige Frau hier, Alexandra.«
Sie war entsetzt. »Ich will hier weg! Das ist nicht, was du mir zeigen wolltest, Hart. Du hast mich absichtlich betrogen!«
»Die Hälfte von ihnen sind Prostituierte. Männliche Prostituierte.«
So schnell sie konnte begab sich Alex zum Ausgang.
Hart folgte ihr. »Liebling, sei doch nicht böse«, bat er.
Als sie gingen, zogen sie die Blicke aller auf sich. Mit hochroten Wangen zischte sie: »Nenn mich nicht so!«
Auf dem Weg zur Kutsche murmelte sie verdrießlich: »Ich bin in die eigene Falle gelaufen. Das ist abscheulich!«
»Warum ist es abscheulich, wenn sich Männer wie Frauen kleiden, wenn es für dich vollkommen akzeptabel ist, wie ein Mann herumzulaufen?«
Sie blieb stehen und sah zu ihm auf. »Du wolltest mir eine Lektion erteilen? War das deine Absicht, als du mich an einen solchen Ort gebracht hast?«
Er legte den Arm um sie, senkte den Kopf und gab ihr einen Kuss. »Ja, Liebling. Und es gibt noch so viele andere Lektionen, die ich dir gern erteilen würde.«
Sie schmeckte den Brandy auf seinen Lippen. »Keinen weiteren Kuss mehr, bis du deinen Teil des Handels erfüllt hast.«
Hart seufzte und öffnete ihr die Tür der Kutsche. »In die Waterloo Road«, befahl er dem Kutscher. Er setzte sich neben sie und kapitulierte. »Du hast gewonnen, Alex. Ich werde dich zum >Endspurt< mitnehmen.«
»Was ist ein >Endspurt«
»Das ist der Ort, an dem sich die Prostituierten von London nach Theaterschluss treffen.«
Sie fuhren über die Brücke von Westminster und stiegen in der Nähe der Stelle aus, an der die neue Brücke über die Themse gebaut wurde. »Behalte einen klaren Kopf«, warnte Hart seinen Kutscher.
Obwohl das Wetter kühl war, standen in jedem Hauseingang spärlich bekleidete Dirnen. Die Fenster der Gebäude waren verschlossen. Hart legte besitzergreifend eine Hand in Alex' Rücken und führte sie durch eine schmale Tür. Im ersten Augenblick war sie vom Licht der Gaslampen geblendet, und begriff dann, dass sie sich in einem Gin Palast befand.
An einem Ende des Raumes stand eine lange Reihe von Tischen mit Sitzen, die aussahen wie eine gepolsterte Couch. Jeder der Sitze wurde von einer hölzernen Trennwand abgeschirmt. Am anderen Ende des Raumes entdeckte sie eine erhöhte Plattform, auf der die Prostituierten hin und her liefen und alles taten, um die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu lenken.
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