Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefährliche Enthüllung (German Edition)

Gefährliche Enthüllung (German Edition)

Titel: Gefährliche Enthüllung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Brockmann
Vom Netzwerk:
amerikanischen Truppen, dass er zurückblieb. Als Teil der Sondereinsatztruppe, die die amerikanischen Kriegsgefangenen und Vermissten aufspüren und retten sollte.
    Er war in jenem Sommer achtzehn geworden. In manchen Bundesstaaten durften Jugendliche in diesem Alter noch nicht einmal Alkohol kaufen. Aber für den Krieg war er offenbar alt genug gewesen. Und seit diesem verhängnisvollen Sommer trug er immer eine Waffe bei sich. Er konnte sie jetzt fühlen, ein harter Klumpen unter seinem Schlafsack, jederzeit griffbereit, wenn er sie brauchte.
    „Ein Mann des Friedens braucht keine Waffe“, hatte sein Großvater immer wieder gesagt. „Nur ein Gewissen, einen Willen und eine Stimme, die laut genug ist, um gehört zu werden.“
    „Mann, der den Frieden herbeiredet“, unterbrach Annie seine Gedanken. „Warum wurden Sie so genannt?“
    Er schwieg so lange, dass sie schon glaubte, er wolle nicht antworten.
    „Ich habe seit Langem nicht mehr darüber nachgedacht“, sagte er schließlich. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich jetzt darüber reden will.“
    „Entschuldigen Sie. Ich dachte nur … Ich hätte nicht …“
    „Ich war dreizehn“, fiel er ihr ins Wort. „In dem Sommer starb meine Tante, die Schwester meiner Mutter. Meine Cousins gerieten dadurch völlig aus dem Tritt. Sie kamen auf unsere Ranch, um bei uns zu leben. Sie waren zu fünft. Jack war der Älteste, er war zwölf. Dann waren da noch Will, Thomas, Eddie und Chris, der noch ganz klein war. Er kann höchstens fünf gewesen sein. Er vermisste seine Mutter ganz besonders. Sie vermissten sie alle, aber nur Chrisweinte. Er weinte, und Tom hänselte ihn deswegen. Sagte, dass Jungs nicht weinten, das täten nur Babys. Jack wurde dann immer wütend, fiel über Tom her und verprügelte ihn, und im Nu prügelten sie sich alle.
    Nun ja, den ganzen Juli spielte ich den Vermittler, versuchte den Frieden zwischen den fünf Jungs zu wahren. Ich war älter als sie, und sie schauten zu mir auf. Aber trotzdem brauchte ich ihnen nur kurz den Rücken zuzuwenden, und schon hatte sich wieder jemand ein blaues Auge eingehandelt.
    Nach ein paar Wochen begann ich zu begreifen, dass der Kleine, Chris, immer zu denselben Zeiten nach seiner Mutter weinte. Meistens gleich nach dem Aufwachen am Morgen und zu einer bestimmten Zeit am Nachmittag – gegen eins, glaube ich. Als seine Mutter noch lebte, hatte sie dann immer eine halbe Stunde nur mit ihm verbracht. In dieser Zeit las sie ihm vor, spielte mit ihm, schenkte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit, während die anderen Jungs alle in der Schule waren.
    Also begann ich ihn abzulenken. Ich übernahm es, ihn morgens zu wecken, und ich beschäftigte ihn so intensiv, dass er gar nicht merkte, was fehlte. Genauso hielt ich es am Nachmittag, und er brach immer seltener in Tränen aus.“
    Annie lauschte seinen Worten und bemerkte plötzlich, dass sie beinahe den Atem angehalten hatte. Pete hatte noch nie, seitdem sie ihn kannte, so lange gesprochen. Schon gar nicht über sich selbst und seine Kindheit.
    „Leider konnte man nicht dasselbe über die Prügeleien sagen“, fuhr er leise lachend fort. „Auch als Chris gar nicht mehr weinte, fanden die älteren Jungen genügend Anlässe, um aufeinander loszugehen. Ich konnte einfach nicht herausfinden, was in sie gefahren war. Sie hatten sich vorher niegestritten – jedenfalls nicht so heftig.“
    Er hielt inne. Nicht aufhören, dachte Annie. Sie stellte sich ihn als dreizehnjährigen Jungen vor, hochgewachsen und ernsthaft, mit diesen feurigen dunklen Augen. „Was geschah dann?“, fragte sie leise.
    „Ich ging zu meinem Großvater und sprach mit ihm darüber. Ich fragte ihn, warum meine Cousins sich ständig prügelten. Er sagte mir, das sei ihre Art, um ihre Mutter zu trauern. Darüber musste ich ein paar Tage nachdenken. Dann musste ich mit ansehen, wie Will seinem Bruder Jack die Nase brach und Jack beinahe Tom den Arm gebrochen hätte, und ich entschied, dass die Jungs einen anderen Weg finden mussten, mit dem Tod ihrer Mutter fertigzuwerden.
    Ich nahm die ganze Bande mit auf eine Wanderung in die Berge, zu einem Ort, den ich kannte, einem Platz, an dem man das ganze Tal überblicken konnte. Dort oben fühlte man sich dem Himmel ganz nah. Man konnte die Ranch meines Vaters überblicken, die Felder, die wie ein Flickenteppich tief unter uns lagen. Überall blühte das Leben. Es gab so viele Schattierungen von Grün, und der Himmel war so blau, dass es wehtat, zu ihm

Weitere Kostenlose Bücher