Gefaehrliche Freiheit - das Ende der Sicherungsverwahrung
ebenfalls schwierig: Private Vermieter winken ab, sobald sie erfahren, unter welchen Umständen unsere Klienten leben.
Gerhard Kraus hat sich bereit erklärt, sich bei stationären Einrichtungen um eine Aufnahme zu bewerben. Die Polizei gesteht ihm zu, in meiner Begleitung ohne polizeiliche Überwachung Vorstellungsgespräche zu führen. Die Gespräche sind anstrengend und erfolglos. Wegen seiner Vorgeschichte und den besonderen Umständen seiner Überwachung scheuen die Einrichtungen eine Aufnahme; sie fühlen sich der erwarteten Herausforderung nicht gewachsen.
Bleibt noch die Freiburger Anlaufstelle für Haftentlassene. Diese Einrichtung betreut seit 1973 aus der Haft entlassene Männer, auch entlassene Sicherungsverwahrte, als diese noch wie andere Haftentlassene ohne Polizeiobservation entlassen wurden. Oft konnten sie gut in den Alltag integriert werden und wurden von den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern der Einrichtung ebenso betreut wie andere Klienten.
Heute sieht das anders aus. Entlassene, die fünf observierende Polizeibeamte mitbringen, sind für den Alltag einer Einrichtung, in der täglich entlassene Strafgefangene verkehren, nicht tragbar. Die zu erwartenden Konflikte würden die Arbeit der Einrichtung stören bis unmöglich machen. Im Interesse ihrer anderen Klienten möchte sich die Einrichtung das nicht leisten, zudem unterliegt sie bereits einem neuen Reglement der Stadt Freiburg: Der Geschäftsführer der stadteigenen Wohnbaugesellschaft untersagt der Einrichtung, in Wohnungen, die sie von der Stadtbau Freiburg angemietet hat, entlassene Sicherungsverwahrte unterzubringen. Da der Verein fast alle Wohnungen, die er an Haftentlassene untervermietet, von dieser städtischen Gesellschaft anmietet, ist der Handlungsspielraum äußerst eingeschränkt.
Wo sollen entlassene Verwahrte eine passende Wohnung finden, wenn sich die städtische Wohnbaugesellschaft als Anbieter von sozialem Wohnungsbau derart verweigert?
Aus dieser Lage gibt es für Ludwig Roser und Gerhard Kraus kaum ein Entkommen. Und die hysterische und vollkommenüberzogene Abwehr gilt bis in weit entfernte Orte der Republik: Zwei meiner anderen Klienten, ebenfalls aus der Sicherungsverwahrung entlassen, erhalten von einem Freiburger Bürger das freundliche Angebot, als Mieter in einem Anwesen, das er in Sachsen-Anhalt besitzt und aus dem seine Großmutter einmal vertrieben wurde, einzuziehen und dort einer kleinen Beschäftigung nachzugehen. Nachdem die Polizei nach einer erneuten Risikobewertung die Dauerobservation eingestellt hatte und die beiden keine Wohnung in Freiburg finden konnten, nehmen sie das Angebot an und ziehen in den kleinen Ort mit dem vielversprechenden Namen Insel. Wenige Wochen nach ihrem Umzug wird im Ort ihre Vergangenheit bekannt. Eine beispiellose Hetzjagd beginnt, mit Morddrohungen, Beschimpfungen und Versammlungen der ganzen Gemeinde, in der der Bürgermeister des Ortes quasi von einem Einreiseverbot ausgeht. 40 Im August 2011 werden die beiden in ihrer neuen Heimat unter Polizeischutz gestellt, sie müssen nun vor den Bürgern des Ortes beschützt werden.
Gehen Sie doch arbeiten!
In Gesprächen beschäftigt uns u. a. die Frage der Reue. Was ist das, wie geht das, wie kann das aussehen? Nach der langen Zeit, die seit der Verurteilung vergangen ist, scheint es kein passender Weg, auf frühere Tatopfer zuzugehen. Wir besprechen die Möglichkeit, dass Reue und Buße auch durch indirekte, symbolische Handlungen ihren Ausdruck finden können. Eine Geldzahlung kommt bei Bezug von Arbeitslosengeld kaum in Betracht, aber ein arbeitsloser Mann kann arbeiten. Nach einigen Recherchen ergibt sich die Möglichkeit, in einer öffentlichen Anlage in Freiburg Gartenpflege- und Wiederherstellungsarbeiten zu erledigen, für deren Ausführung keine besonderen Fachkenntnisse benötigt werden, die aber auch aus finanziellen Gründen von der Stadt Freiburg nicht durchgeführt werden. Der zuständige Mitarbeiter im städtischen Amtist erfreut, dass ein Bürger freiwillig, ohne Bezahlung oder Aufwandsentschädigung die Arbeit ausführen will. Über den Hintergrund meines Klienten ist er aufgeklärt, und wir kommen überein, dies ohne Information an die Öffentlichkeit durchzuführen. Mein Klient hat kein Interesse daran, bei seiner Tätigkeit von Pressevertretern verfolgt zu werden. So hätte dies eine kleine, sinnvolle Beschäftigung werden können, wenn nicht, ja wenn nicht der städtische Mitarbeiter bei seinen
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